Kurz notiert // Urheberrecht
Bundesgerichtshof
Keine Störerhaftung bei individuellem Hersteller-Passwort für WLAN-Router
BGH, Urteil vom 24.11.2016 - I ZR 220/15 - WLAN-Schlüssel; Vorinstanzen: AG Hamburg, Urteil vom 09.01.2015 - 36a C 40/14; LG Hamburg, Urteil vom 29.09.2015 - 310 S 3/15
MIR 2016, Dok. 034, Rz. 1
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Der Bundesgerichtshof hat sich in einem Urteil vom 24.11.2016 (I ZR 220/15 - WLAN-Schlüssel) - im Zusammenhang mit der Haftung für Urheberrechtsverletzungen im Rahmen des sogenannten Filesharing - mit den Anforderungen an die Sicherung eines Internetanschlusses mit einem angeschlossenen WLAN-Netzwerk befasst. Die Beibehaltung eines vom Hersteller des WLAN-Routers voreingestellten, für das Gerät individuellen WLAN-Schlüssels, könne insoweit ausreichend sein. Eine Störerhaftung des Internetanschlussinhabers für Rechtsverletzungen von (unbekannten) Dritten komme dann nicht ohne weiteres in Betracht, so das Gericht.
Zur Sache
Die Klägerin ist Inhaberin von Verwertungsrechten an dem Film "The Expendables 2". Sie nimmt die Beklagte wegen des öffentlichen Zugänglichmachens dieses Filmwerks im Wege des "Filesharing" auf Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch. Der Film ist im November und Dezember 2012 zu verschiedenen Zeitpunkten über den Internetanschluss der Beklagten durch einen unbekannten Dritten öffentlich zugänglich gemacht worden, der sich unberechtigten Zugang zum WLAN der Beklagten verschafft hatte. Die Beklagte hatte ihren Internet-Router Anfang 2012 in Betrieb genommen. Der Router war mit einem vom Hersteller vergebenen, auf der Rückseite des Routers aufgedruckten WPA2-Schlüssel gesichert, der aus 16 Ziffern bestand. Diesen Schlüssel hatte die Beklagte bei der Einrichtung des Routers nicht geändert. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Vom Hersteller voreingestelltes, individuelles WLAN-Passwort kann ausreichend sein
Die Beklagte hafte nicht als Störerin, weil sie keine Prüfungspflichten verletzt habe. Der Inhaber eines Internetanschlusses mit WLAN-Funktion sei zur Prüfung verpflichtet, ob der eingesetzte Router über die im Zeitpunkt seines Kaufs für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen, also einen aktuellen Verschlüsselungsstandard sowie ein individuelles, ausreichend langes und sicheres Passwort, verfügt. Die Beibehaltung eines vom Hersteller voreingestellten WLAN-Passworts könne eine Verletzung dieser Prüfungspflicht darstellen, wenn es sich nicht um ein für jedes Gerät individuell, sondern für eine Mehrzahl von Geräten verwendetes Passwort handelt. Im Streitfall habe die Klägerin keinen Beweis dafür angetreten, dass es sich um ein Passwort gehandelt hat, das vom Hersteller für eine Mehrzahl von Geräten vergeben worden war. Die Beklagte hatte durch Benennung des Routertyps und des Passworts sowie durch die Angabe, es habe sich um ein nur einmal vergebenes Passwort gehandelt, der ihr insoweit obliegenden sekundären Darlegungslast genügt. Da der Standard WPA2 als hinreichend sicher anerkannt sei und es an Anhaltspunkten dafür fehle, dass im Zeitpunkt des Kaufs der voreingestellte 16-stellige Zifferncode nicht marktüblichen Standards entsprach oder Dritte ihn entschlüsseln konnten, habe die Beklagte ihre Prüfungspflichten nicht verletzt. Sie hafte deshalb nicht als Störerin für die über ihren Internetanschluss von einem unbekannten Dritten begangenen Urheberrechtsverletzungen. Eine bei dem Routertyp bestehende Sicherheitslücke sei zudem in der Öffentlichkeit erst im Jahr 2014 bekannt geworden.
(tg) - Quelle: PM Nr. 212/2016 des BGH vom 24.11.2016
Zur Sache
Die Klägerin ist Inhaberin von Verwertungsrechten an dem Film "The Expendables 2". Sie nimmt die Beklagte wegen des öffentlichen Zugänglichmachens dieses Filmwerks im Wege des "Filesharing" auf Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch. Der Film ist im November und Dezember 2012 zu verschiedenen Zeitpunkten über den Internetanschluss der Beklagten durch einen unbekannten Dritten öffentlich zugänglich gemacht worden, der sich unberechtigten Zugang zum WLAN der Beklagten verschafft hatte. Die Beklagte hatte ihren Internet-Router Anfang 2012 in Betrieb genommen. Der Router war mit einem vom Hersteller vergebenen, auf der Rückseite des Routers aufgedruckten WPA2-Schlüssel gesichert, der aus 16 Ziffern bestand. Diesen Schlüssel hatte die Beklagte bei der Einrichtung des Routers nicht geändert. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Vom Hersteller voreingestelltes, individuelles WLAN-Passwort kann ausreichend sein
Die Beklagte hafte nicht als Störerin, weil sie keine Prüfungspflichten verletzt habe. Der Inhaber eines Internetanschlusses mit WLAN-Funktion sei zur Prüfung verpflichtet, ob der eingesetzte Router über die im Zeitpunkt seines Kaufs für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen, also einen aktuellen Verschlüsselungsstandard sowie ein individuelles, ausreichend langes und sicheres Passwort, verfügt. Die Beibehaltung eines vom Hersteller voreingestellten WLAN-Passworts könne eine Verletzung dieser Prüfungspflicht darstellen, wenn es sich nicht um ein für jedes Gerät individuell, sondern für eine Mehrzahl von Geräten verwendetes Passwort handelt. Im Streitfall habe die Klägerin keinen Beweis dafür angetreten, dass es sich um ein Passwort gehandelt hat, das vom Hersteller für eine Mehrzahl von Geräten vergeben worden war. Die Beklagte hatte durch Benennung des Routertyps und des Passworts sowie durch die Angabe, es habe sich um ein nur einmal vergebenes Passwort gehandelt, der ihr insoweit obliegenden sekundären Darlegungslast genügt. Da der Standard WPA2 als hinreichend sicher anerkannt sei und es an Anhaltspunkten dafür fehle, dass im Zeitpunkt des Kaufs der voreingestellte 16-stellige Zifferncode nicht marktüblichen Standards entsprach oder Dritte ihn entschlüsseln konnten, habe die Beklagte ihre Prüfungspflichten nicht verletzt. Sie hafte deshalb nicht als Störerin für die über ihren Internetanschluss von einem unbekannten Dritten begangenen Urheberrechtsverletzungen. Eine bei dem Routertyp bestehende Sicherheitslücke sei zudem in der Öffentlichkeit erst im Jahr 2014 bekannt geworden.
(tg) - Quelle: PM Nr. 212/2016 des BGH vom 24.11.2016
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 24.11.2016
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2792
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