MIR-Newsletter

Der MIR-Newsletter informiert Sie regelmäßig über neue Inhalte in MIR - MEDIEN INTERNET und RECHT!

Schließen Abonnieren
MIR-Logo mobil

Logo MEDIEN INTERNET und RECHT
Logo MEDIEN INTERNET und RECHT

Kurz notiert // Zivilrecht



Bundesgerichtshof

Schadensersatzanspruch wegen Preismanipulation des Verkäufers bei einer eBay-Auktion durch "Shill Bidding"

BGH, Urteil vom 24.08.2016 - VIII ZR 100/15; Vorinstanzen: OLG Stuttgart, Urteil vom 14.04.2015 - 12 U 153/14; LG Tübingen, Urteil vom 26.09.2014 - 7 O 490/13

MIR 2016, Dok. 027, Rz. 1


1
Der Bundesgerichtshof hat sich mit Urteil vom 24.08.2016 (VIII ZR 100/15) mit den rechtlichen Auswirkungen von Geboten befasst, die der Verkäufer im Rahmen einer Internetauktion (hier: bei eBay) auf von ihm selbst zum Kauf angebotene Gegenstände abgibt, um auf diese Weise den Auktionsverlauf zu seinen Gunsten zu manipulieren und die Gebote in die Höhe zu treiben (sogenanntes "Shill Bidding"). In einem solchen Fall komme der Vertrag dann mit dem Bieter des letzten regulären Gebots zu diesen Konditionen zustande, so das Gericht. Auch ein deutliches Unterschreiten des Verkehrswertes der Kaufsache (hier: EUR 1,50 für VW Golf 6) stehe dem nicht entgegen.

Zur Sache:

Im Juni 2013 bot der Beklagte auf der Internetplattform eBay einen gebrauchten VW Golf 6 im Wege einer Internetauktion mit einem Startpreis von EUR 1,00 zum Verkauf an. Diesen Betrag wurde von einem Dritten geboten. Als einziger weiterer Fremdbieter beteiligte sich der Kläger an der Auktion. Dabei wurde er vom Beklagten, der über ein zweites Benutzerkonto Eigengebote abgab, immer wieder überboten. Derartige Eigengebote sind nach den zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay unzulässig. Bei Auktionsschluss lag ein "Höchstgebot" des Beklagten über EUR 17.000,00 vor, so dass der Kläger mit seinem danach in gleicher Höhe abgegebenen Gebot nicht mehr zum Zuge kam.

Der Kläger ist der Auffassung, er habe das Kraftfahrzeug für EUR 1,50 - den auf EUR 1,00 folgenden nächsthöheren Gebotsschritt – ersteigert, da er ohne die unzulässige Eigengebote des Beklagten die Auktion bereits mit einem Gebot in dieser Höhe "gewonnen" hätte. Nachdem der Beklagte ihm mitgeteilt hatte, das Fahrzeug bereits anderweitig veräußert zu haben, verlangte der Kläger Schadensersatz in Höhe des von ihm mit mindestens EUR 16.500,00 angenommenen Marktwerts des Fahrzeugs.

Die Schadensersatzklage hatte in der ersten Instanz Erfolg. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht Stuttgart das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

Das Oblandesgericht ist davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien aufgrund der Internetauktion ein Kaufvertrag über den Gebrauchtwagen zu einem Preis von EUR 17.000,00 zustande gekommen ist. Es komme insoweit auf das zuletzt vom Kläger abgegebene Gebot an, auch wenn der Beklagte den Kaufpreis durch seine rechtlich unwirksamen Eigengebote unzulässigerweise in die Höhe getrieben habe. Im Ergebnis habe der Kaufpreis somit den Verkehrswert des Fahrzeugs überstiegen. Dem Kläger sei aus insoweit dem Kaufvertrag selbst und dessen Nichterfüllung kein Schaden entstanden.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof (VIII. Zivilsenat) hat seine Rechtsprechung bekräftigt, dass sich der Vertragsschluss bei eBay-Auktionen nicht nach § 156 BGB (Versteigerung) beurteilt, sondern nach den allgemeinen Regeln zum Vertragsschluss (Angebot und Annahme, §§ 145 ff. BGB). Danach richte sich das von einem Anbieter im Rahmen einer eBay-Auktion erklärte Angebot nur an "einen anderen", mithin an einen von ihm personenverschiedenen Bieter. Damit konne der Beklagte durch seine Eigengebote von vornherein keinen Vertragsschluss zustande bringen.

Der vorliegende Fall sei weiterhin durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass außer dem Startgebot von EUR 1,00 und den Geboten des Klägers kein sonstiges reguläres Gebot abgegeben wurde. So konnte der Kläger den streitgegenständlichen Gebrauchtwagen zum Preis von EUR 1,50 ersteigern. Der Bundesgerichtshof hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben und die im Ergebnis der Klage stattgebende Entscheidung des Landgerichts wiederhergestellt.

Kein Vertrag mit sich selbst durch Eigengebote

Der Beklagte habe dadurch, dass er die Auktion des zum Verkauf gestellten Fahrzeugs mit einem Anfangspreis von EUR 1,00 startete, ein verbindliches Verkaufsangebot im Sinne von § 145 BGB abgegeben, welches an denjenigen Bieter gerichtet war, der zum Ablauf der Auktionslaufzeit das Höchstgebot abgegeben haben würde. Bereits aus der in § 145 BGB enthaltenen Definition des Angebots - die im Übrigen auch dem in den eBay-AGB vorgesehenen Vertragsschlussmechanismus zugrunde liegt - ergebe sich, dass die Schließung eines Vertrages stets "einem anderen" anzutragen ist. Mithin könne der Beklagte mit seinen über das zusätzliche Benutzerkonto abgegebenen Eigengeboten von vornherein keinen wirksamen Vertragsschluss (mit sich selbst) herbeiführen.

Höchstes reguläres Gebot für den Vertragsschluss maßgeblich - Hier: EUR 1,50

Das höchste zum Auktionsablauf abgegebene Gebot stammte daher vom Kläger. Es betrug allerdings - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – nicht EUR 17.000,00, sondern lediglich EUR 1,50. Denn auch wenn der Kläger seine zahlreichen Maximalgebote immer wieder und zuletzt auf EUR 17.000 erhöhte habe, gab er damit noch keine auf das jeweilige Maximalgebot bezifferte und auf den Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrages gerichteten Annahmeerklärungen ab. Deren Inhalt erschöpfte sich vielmehr darin, das im Vergleich zu den bereits bestehenden Geboten regulärer Mitbieter jeweils nächsthöhere Gebot abzugeben, um diese Gebote um den von eBay jeweils vorgegebenen Bietschritt zu übertreffen und auf diese Weise bis zum Erreichen des von ihm vorgegebenen Maximalbetrages Höchstbietender zu werden oder zu bleiben. Nachdem aber außer den unwirksamen Eigengeboten des Beklagten nur ein einziges reguläres Gebot in Höhe von EUR 1,00 auf den Gebrauchtwagen abgegeben worden war, wurde der Kläger mit dem nächsthöheren Gebot von EUR 1,50 Höchstbietender.

Keine Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages bei deutlichem Unterschreiten des Verkehrswertes

Es begründe auch keine Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages, dass dieser damit im Ergebnis zu einem weit unter dem Verkehrswert liegenden Betrag zustande kam, da es gerade den Reiz einer Internetauktion ausmache, den Auktionsgegenstand zu einem "Schnäppchenpreis" erwerben zu können. Dass der Kläger nach dem Auktionsergebnis die Lieferung des Fahrzeugs für einen eher symbolischen Kaufpreis von EUR 1,50 habe beanspruchen können, beruht allein auf dem erfolglosen Versuch des Beklagten, den Auktionsverlauf in unlauterer Weise zu seinen Gunsten zu manipulieren.

(tg) - PM Nr. 144/2016 des BGH vom 24.08.2016

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 24.08.2016
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2785
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
dejure.org StellenmarktAnzeige