Kurz notiert // Wettbewerbsrecht
Bundesgerichtshof
Trallari trallahey tralla hoppsasa - Kein wettbewerbsrechtlicher Schutz der Romanfigur Pippi-Langstrumpf
BGH, Urteil vom 19.11.2015 - I ZR 149/14 - Pippi-Langstrumpf-Kostüm II; Verfahrensgang: LG Köln - Urteil vom 10.08.2011 - 28 O 117/11; OLG Köln, Urteil vom 24.02.2012 - 6 U 176/11; BGH, Urteil vom 17.07.2013 - I ZR 52/12, MIR 2014, Dok. 006 - Pippi-Langstrumpf-Kostüm I; OLG Köln, Urteil vom 20.06.2014 - 6 U 176/11
MIR 2015, Dok. 083, Rz. 1
1
Der Bundesgerichtshof hatte mit Urteil vom 19.11.2015 (I ZR 149/14 - Pippi-Langstrumpf-Kostüm II) über die Frage zu entscheiden, ob die bekannte literarische Figur Pippi-Langstrumpf wettbewerbsrechtlich gegen eine Benutzung als Karnevalskostüm geschützt ist. Der Bundesgerichtshof verneinte dies in der vorliegenden Entscheidung; insbesondere sei keine Nachahmung im Sinne von § 4 Nr. 9 UWG gegeben.
Zur Sache
Die Beklagte betreibt Einzelhandelsmärkte. Um für ihre Karnevalskostüme zu werben, verwandte sie in Verkaufsprospekten im Januar 2010 die Abbildungen eines Mädchens und einer jungen Frau, die mit einem Karnevalskostüm - bestehend aus einer roten Perücke mit abstehenden Zöpfen, einem T-Shirt sowie Strümpfen mit rotem und grünem Ringelmuster- verkleidet waren. Die Fotografien waren bundesweit in Verkaufsprospekten, auf Vorankündigungsplakaten in den Filialmärkten sowie in Zeitungsanzeigen abgedruckt und über die Internetseite der Beklagten abrufbar. Darüber hinaus waren die Abbildungen den jeweiligen Kostümsets beigefügt, von denen die Beklagte insgesamt mehr als 15.000 Stück verkaufte.
Die Klägerin, die für sich in Anspruch nimmt, über Rechte am künstlerischen Schaffen von Astrid Lindgren zu verfügen, ist der Auffassung, die Beklagte habe mit ihrer Werbung die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der literarischen Figur Pippi Langstrumpf verletzt sowie gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstoßen, weil die Beklagte sich in den verwendeten Abbildungen an diese Figur angelehnt habe. Aus diesem Grund stehe ihr Schadensersatz in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr von EUR 50.000,00 zu.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat in seinem ersten Berufungsurteil angenommen, der Klägerin stehe der geltend gemachte urheberrechtliche Anspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG zu. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit sie auf Ansprüche aus dem Urheberrecht gestützt ist. Im Hinblick auf die hilfsweise geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche hat der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (vgl. MIR 2013, Dok. 043, Rz. 1 sowie BGH, Urteil vom 17.07.2013 - I ZR 52/12, MIR 2014, Dok. 006 - Pippi-Langstrumpf-Kostüm I).
Das Oberlandesgericht hat die Klage mit seinem zweiten Berufungsurteil auch im Hinblick auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche abgewiesen. Es hat angenommen, dass sich der Zahlungsanspruch nicht unter dem Gesichtspunkt des wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes nach § 4 Nr. 9 Buchst. a und b UWG ergebe. Die Abbildung eines Mädchens und einer jungen Frau in einem Pippi-Langstrumpf-Kostüm stelle zwar eine - nachschaffende - Nachahmung der Romanfigur von Astrid Lindgren dar. Besondere Umstände, die dieses Verhalten unlauter erscheinen ließen, seien aber nicht gegeben. Eine unlautere Herkunftstäuschung scheide ebenso aus wie eine unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung der Romanfigur Pippi Langstrumpf. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Kein wettbewerbsrechtlicher Nachahmungsschutz - Gleichwohl: Wettbewerbsrechtlicher Nachahmungsschutz einer literarischen Figur grundsätzlich möglich
Der Bundesgerichtshof hat die Revision zurückgewiesen. Ein Anspruch gemäß § 4 Nr. 9 UWG scheide aus. Zwar könne auch eine literarische Figur dem Schutz dieser Bestimmung unterfallen. Es fehle jedoch vorliegend an einer Nachahmung. An die Nachahmung einer Romanfigur durch Übernahme von Merkmalen, die wettbewerblich eigenartig sind, in eine andere Produktart, wie sie bei einem Karnevalskostüm gegeben ist, seien keine geringen Anforderungen zu stellen. Im Streitfall bestünden zwischen den Merkmalen, die die Romanfigur der Pippi Langstrumpf ausmachen, und der Gestaltung des Kostüms nur so geringe Übereinstimmungen, dass keine Nachahmung vorliege, so der Bundesgerichtshof.
Anwendung der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel nicht geboten
Der Klägerin stehe auch kein Anspruch aus der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel gemäß § 3 Abs. 1 UWG zu. Im Streitfall sei nicht ersichtlich, dass eine durch die Anwendung der Generalklausel zu schließende Schutzlücke bestehe. Die von der Klägerin oder ihren Lizenznehmern vertriebenen konkreten Merchandisingartikel seien gegen Nachahmungen unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 9 UWG geschützt. Der Klägerin stehe es zudem frei, das Erscheinungsbild solcher Produkte als Marke und Design schützen zu lassen. Darüber hinausgehend sei es wettbewerbsrechtlich nicht geboten, denjenigen, der eine Leistung erbringt, grundsätzlich auch an allen späteren Auswertungsarten seiner Leistung zu beteiligen.
(tg) - Quelle: PM Nr. 190/2015 des BGH vom 19.11.2015
Zur Sache
Die Beklagte betreibt Einzelhandelsmärkte. Um für ihre Karnevalskostüme zu werben, verwandte sie in Verkaufsprospekten im Januar 2010 die Abbildungen eines Mädchens und einer jungen Frau, die mit einem Karnevalskostüm - bestehend aus einer roten Perücke mit abstehenden Zöpfen, einem T-Shirt sowie Strümpfen mit rotem und grünem Ringelmuster- verkleidet waren. Die Fotografien waren bundesweit in Verkaufsprospekten, auf Vorankündigungsplakaten in den Filialmärkten sowie in Zeitungsanzeigen abgedruckt und über die Internetseite der Beklagten abrufbar. Darüber hinaus waren die Abbildungen den jeweiligen Kostümsets beigefügt, von denen die Beklagte insgesamt mehr als 15.000 Stück verkaufte.
Die Klägerin, die für sich in Anspruch nimmt, über Rechte am künstlerischen Schaffen von Astrid Lindgren zu verfügen, ist der Auffassung, die Beklagte habe mit ihrer Werbung die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der literarischen Figur Pippi Langstrumpf verletzt sowie gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstoßen, weil die Beklagte sich in den verwendeten Abbildungen an diese Figur angelehnt habe. Aus diesem Grund stehe ihr Schadensersatz in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr von EUR 50.000,00 zu.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat in seinem ersten Berufungsurteil angenommen, der Klägerin stehe der geltend gemachte urheberrechtliche Anspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG zu. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit sie auf Ansprüche aus dem Urheberrecht gestützt ist. Im Hinblick auf die hilfsweise geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche hat der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (vgl. MIR 2013, Dok. 043, Rz. 1 sowie BGH, Urteil vom 17.07.2013 - I ZR 52/12, MIR 2014, Dok. 006 - Pippi-Langstrumpf-Kostüm I).
Das Oberlandesgericht hat die Klage mit seinem zweiten Berufungsurteil auch im Hinblick auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche abgewiesen. Es hat angenommen, dass sich der Zahlungsanspruch nicht unter dem Gesichtspunkt des wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes nach § 4 Nr. 9 Buchst. a und b UWG ergebe. Die Abbildung eines Mädchens und einer jungen Frau in einem Pippi-Langstrumpf-Kostüm stelle zwar eine - nachschaffende - Nachahmung der Romanfigur von Astrid Lindgren dar. Besondere Umstände, die dieses Verhalten unlauter erscheinen ließen, seien aber nicht gegeben. Eine unlautere Herkunftstäuschung scheide ebenso aus wie eine unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung der Romanfigur Pippi Langstrumpf. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
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Anwendung der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel nicht geboten
Der Klägerin stehe auch kein Anspruch aus der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel gemäß § 3 Abs. 1 UWG zu. Im Streitfall sei nicht ersichtlich, dass eine durch die Anwendung der Generalklausel zu schließende Schutzlücke bestehe. Die von der Klägerin oder ihren Lizenznehmern vertriebenen konkreten Merchandisingartikel seien gegen Nachahmungen unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 9 UWG geschützt. Der Klägerin stehe es zudem frei, das Erscheinungsbild solcher Produkte als Marke und Design schützen zu lassen. Darüber hinausgehend sei es wettbewerbsrechtlich nicht geboten, denjenigen, der eine Leistung erbringt, grundsätzlich auch an allen späteren Auswertungsarten seiner Leistung zu beteiligen.
(tg) - Quelle: PM Nr. 190/2015 des BGH vom 19.11.2015
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 19.11.2015
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2750
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