Kurz notiert
Landgericht München I
Gericht gibt Untersagungsantrag betreffend Cartoon-Serie "Popetown" nicht statt! - Nicht jede Veröffentlichung, die an den Empfindungen anderer rührt, mag sie auch geschmacklos oder schlicht dümmlich sein, ist geeignet eine Beeinträchtigung des öffentlichen Friedens zu besorgen.
Beschluss des Landgerichts München I vom 03.05.2006, Az. 9 O 8051/06
MIR 2006, Dok. 059, Rz. 1
1
Die für Pressestreitigkeiten zuständige 9. Zivilkammer des Landgerichts München I hat den Antrag, die Ausstrahlung der umstrittenen Cartoon-Serie
"Pope-town" zu untersagen, abgelehnt. Versuche, mit den Parteien eine einvernehmlichen Lösung des Streits zu erarbeiten, waren zuvor gescheitert.
Das Erzbistum München und Freising hatte seinen Untersagungsantrag mit dem strafrechtlichen Verbot der Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen gemäß § 166 StGB begründet (Der Wortlaut von § 166 StGB ist am Ende der Mitteilung angefügt!).
Die Kammer gelangte nach kritischer Ansicht der ersten Folge der Serie zu einer vergleichbaren Einschätzung wie offenbar der Sprecher der katholischen Kirche Neuseelands. Dieser wurde in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung mit den Worten zitiert: "Die Sendung ist zu dumm, um beleidigend zu sein".
Jedenfalls erachtet die Kammer die Sendung nicht als geeignet, den öffentlichen Frieden zu gefährden. Die Kammer führt in Ihrem Beschluss aus:
"Richtig ist zwar, dass bereits die Ankündigung der fraglichen Sendung und deren Bewerbung durch die Antragsgegner vielfältige Reaktionen hervorgerufen haben. Diese bewegten sich jedoch sämtlich auf der Ebene des sachlichen Diskurses mit den Vorabveröffentlichungen, ohne die Gefahr einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Dimension zu erreichen."
Die Kammer gab insoweit zu bedenken, dass
"nicht jede Veröffentlichung, die an den Empfindungen anderer rührt, mag sie auch geschmacklos oder schlicht dümmlich sein, eine Beeinträchtigung des öffentlichen Friedens zu besorgen geeignet ist. Neben der Beschimpfung eines religiösen Bekenntnisses hat das Tatbestandsmerkmal der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens durchaus eigenständige Bedeutung."
Zuletzt verwies die Kammer darauf, dass eher fraglich ist, ob § 166 StGB einer Religionsgemeinschaft ein aktives Klagerecht gewährt, oder ob die Strafvorschrift nur den öffentlichen Frieden schützen soll. Zwei von drei zitierten Entscheidungen verschiedener OLGs folgen der letztgenannten Ansicht.
Eine vom Gericht vorgeschlagene Einigung schien in greifbarer Nähe, kam letztlich aber nicht zustande. Das Gericht hatte angeregt, dass die Antragstellerin einem abgeänderten Konzept der Antragsgegnerin zustimmt, die die für heute Abend vorgesehene Ausstrahlung der ersten Zeichentrickfolge in eine Live-Diskussion einbetten will. Im Gegenzug sollte sich MTV verpflichten, auf eine Ausstrahlung der weiteren neun Folgen der Serie endgültig zu verzichten.
(tg)
Quelle: PM des LG München I 45b/06 vom 3.05.2006
Das Erzbistum München und Freising hatte seinen Untersagungsantrag mit dem strafrechtlichen Verbot der Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen gemäß § 166 StGB begründet (Der Wortlaut von § 166 StGB ist am Ende der Mitteilung angefügt!).
Die Kammer gelangte nach kritischer Ansicht der ersten Folge der Serie zu einer vergleichbaren Einschätzung wie offenbar der Sprecher der katholischen Kirche Neuseelands. Dieser wurde in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung mit den Worten zitiert: "Die Sendung ist zu dumm, um beleidigend zu sein".
Jedenfalls erachtet die Kammer die Sendung nicht als geeignet, den öffentlichen Frieden zu gefährden. Die Kammer führt in Ihrem Beschluss aus:
"Richtig ist zwar, dass bereits die Ankündigung der fraglichen Sendung und deren Bewerbung durch die Antragsgegner vielfältige Reaktionen hervorgerufen haben. Diese bewegten sich jedoch sämtlich auf der Ebene des sachlichen Diskurses mit den Vorabveröffentlichungen, ohne die Gefahr einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Dimension zu erreichen."
Die Kammer gab insoweit zu bedenken, dass
"nicht jede Veröffentlichung, die an den Empfindungen anderer rührt, mag sie auch geschmacklos oder schlicht dümmlich sein, eine Beeinträchtigung des öffentlichen Friedens zu besorgen geeignet ist. Neben der Beschimpfung eines religiösen Bekenntnisses hat das Tatbestandsmerkmal der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens durchaus eigenständige Bedeutung."
Zuletzt verwies die Kammer darauf, dass eher fraglich ist, ob § 166 StGB einer Religionsgemeinschaft ein aktives Klagerecht gewährt, oder ob die Strafvorschrift nur den öffentlichen Frieden schützen soll. Zwei von drei zitierten Entscheidungen verschiedener OLGs folgen der letztgenannten Ansicht.
Eine vom Gericht vorgeschlagene Einigung schien in greifbarer Nähe, kam letztlich aber nicht zustande. Das Gericht hatte angeregt, dass die Antragstellerin einem abgeänderten Konzept der Antragsgegnerin zustimmt, die die für heute Abend vorgesehene Ausstrahlung der ersten Zeichentrickfolge in eine Live-Diskussion einbetten will. Im Gegenzug sollte sich MTV verpflichten, auf eine Ausstrahlung der weiteren neun Folgen der Serie endgültig zu verzichten.
(tg)
Quelle: PM des LG München I 45b/06 vom 3.05.2006
§ 166 StGB hat folgenden Wortlaut:
(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
Online seit: 03.05.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/274
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