Rechtsprechung // Berufsrecht
AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.05.2015 - 1 AGH 16/15
Keine Anwaltsrobe mit Werbe-Bestickung - Das Tragen einer im Schulterbereich mit einem aus acht Meter Entfernung lesbaren Text bestickten oder bedruckten Robe (hier: Kanzleiname und Internetadresse) ist berufsrechtlich unzulässig
BORA §§ 6 Abs. 1, 20; BRAO § 43b
Leitsätze:*1. Der Sinn des Robetragens durch Anwälte besteht darin, dass diese im Rahmen einer gerichtlichen Verhandlung aus dem Kreis der übrigen Teilnehmer herausgehoben werden. Die Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege wird sichtbar gemacht (vgl. BVerfGE 28, 21). Allen Beteiligten wird dadurch deutlich, dass Rechtsanwälten eine eigenständige Organstellung zukommt, die besondere Rechte und Pflichten im Verfahren und in der Verhandlung begründen. Will ein Rechtsanwalt die Robe vor Gericht auch dort tragen, wo eine berufsrechtliche Pflicht hierzu nicht besteht, muss ihre äußere Gestaltung dem Sinn des Robetragens entsprechen. Aus dem Zweck des Robetragens folgt sogleich und unmittelbar, dass die Robe des Anwalts frei zu sein hat von werbenden Zusätzen. Da das Tragen der schwarzen Robe aus den Gründen der Rationalität, Sachlichkeit und Verallgemeinerungsfähigkeit bei der Rechtsanwendung erfolgt und in der Organstellung des Rechtsanwalts verankert ist, kommt es für den Grundsatz der Werbefreiheit insoweit auch nicht auf den Grundsatz der sachlichen Werbung (§ 43b BRAO i.V.m. § 6 Abs. 1 BORA) an. Jede Werbung auf der vor Gericht getragenen Anwaltsrobe ist nach Sinn und Zweck des Robetragens ausgeschlossen, auch die sachliche.
2. Das Tragen einer im Schulterbereich mit einem aus acht Meter Entfernung lesbaren Text bestickten oder bedruckten Robe (hier: Kanzleiname und Internetadresse) ist berufsrechtlich unzulässig und von einem Rechtsanwalt im Rahmen seiner Berufsausübung vor Gericht zu unterlassen ist. Das Tragen einer solcherart gestalteten Robe vor Gericht verstößt gegen § 20 BORA.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 06.09.2015
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2734
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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