Kurz notiert // Telemedienrecht
Bundesgerichtshof
Keine Haftung eines Hotelbewertungsportals für unwahre Tatsachenbehauptungen eines Nutzers
BGH, Urteil vom 19.03.2015 - I ZR 94/13 - Hotelbewertungsportal, Vorinstanz: LG Berlin - Urteil vom 16.02.2012 - 52 O 159/11; KG, Urteil vom 16.04.2013 - 5 U 63/12
MIR 2015, Dok. 029, Rz. 1
1
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 19.03.2015 (I ZR 94/13 - Hotelbewertungsportal) entschieden, dass die Betreiberin eines Hotelbewertungsportals nicht wegen Verstoßes gegen § 4 Nr. 8 UWG oder § 3 Abs. 1 UWG auf Unterlassung unwahrer Tatsachenbehauptungen eines Nutzers auf ihrem Portal haftet. Die Haftung sei nach §§ 7 Abs. 2, 10 Satz 1 Nr. 1 TMG eingeschränkt. Eine Verletzung spezifischer Prüfungspflichten oder wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten liege nicht vor. Besondere Prüfungspflichten - etwa aufgrund des Geschäftsmodells - seien nicht erkennbar.
Zur Sache: Bettwanzen für 37,50 €
Die Klägerin ist Inhaberin eines Hotels. Sie verlangt von der Beklagten, die im Internet ein Online-Reisebüro sowie ein damit verknüpftes Hotelbewertungsportal betreibt, Unterlassung einer unwahren, von der Klägerin als geschäftsschädigend eingestuften Tatsachenbehauptung. Unter der Überschrift "Für 37,50 € pro Nacht und Kopf im DZ gabs Bettwanzen" erschien im Hotelbewertungsportal der Beklagten eine Bewertung des Hotels der Klägerin.
Nutzer können im Portal der Beklagten Hotels auf einer Skala zwischen eins (sehr schlecht) und sechs (sehr gut) bewerten. Hieraus berechnet die Beklagte bestimmte Durchschnittswerte und eine Weiterempfehlungsrate. Bevor die Beklagte Nutzerbewertungen in ihr Portal aufnimmt, durchlaufen diese eine Wortfiltersoftware, die u.a. Beleidigungen, Schmähkritik und Eigenbewertungen von Hotelinhabern auffinden soll. Unauffällige Bewertungen werden automatisch veröffentlicht. Ausgefilterte Bewertungen werden von Mitarbeitern der Beklagten geprüft und dann gegebenenfalls manuell freigegeben.
Die Klägerin mahnte die Beklagte ab, die daraufhin die beanstandete Bewertung von ihrem Portal entfernte, jedoch die von der Klägerin verlangte strafbewehrte Unterwerfungserklärung nicht abgab. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Der Bundesgerichtshof hat die Revision gegen das Berufungsurteil zurückgewiesen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Kein "zu Eigen machen" - Keine spezifische Prüfungspflichten verletzt
Die beanstandete Nutzerbewertung sei keine eigene "Behauptung" der Beklagten, weil sie sich diese weder durch die Prüfung der Bewertungen noch durch deren statistische Auswertung inhaltlich zu Eigen gemacht habe. Die Beklagte habe die Behauptung auch nicht "verbreitet". Die Haftung eines Diensteanbieters im Sinne von § 2 Nr. 1 TMG, der - wie die Beklagte - eine neutrale Rolle einnimmt, sei nach §§ 7 Abs. 2, 10 Satz 1 Nr. 1 TMG eingeschränkt. Er hafte nur dann für die unwahren Tatsachenbehauptungen des Dritten, wenn er spezifische Prüfungspflichten verletzt hat, deren Intensität sich nach den Umständen des Einzelfalls richte. Dazu zählen die Zumutbarkeit der Prüfungspflichten und die Erkennbarkeit der Rechtsverletzung. Hierbei dürfe einem Diensteanbieter keine Prüfungspflicht auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährdet oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschwert. Danach habe die Beklagte keine spezifische Prüfungspflicht verletzt. Eine inhaltliche Vorabprüfung der Nutzerbewertungen sei ihr nicht zumutbar.
Keine Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten
Eine Haftung auf Unterlassung bestehe in einem solchen Fall erst, wenn der Betreiber eines Internetportals Kenntnis von einer klaren Rechtsverletzung erlangt und sie gleichwohl nicht beseitigt. Dieser Pflicht habe die Beklagte genügt und deshalb auch keine wettbewerblichen Verkehrspflichten im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG verletzt. Im Streitfall bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte ein hochgradig gefährliches Geschäftsmodell betreibt, das besondere Prüfungspflichten auslöst.
(tg) - Quelle: PM Nr. 41/2015 des BGH vom 19.03.2015
Zur Sache: Bettwanzen für 37,50 €
Die Klägerin ist Inhaberin eines Hotels. Sie verlangt von der Beklagten, die im Internet ein Online-Reisebüro sowie ein damit verknüpftes Hotelbewertungsportal betreibt, Unterlassung einer unwahren, von der Klägerin als geschäftsschädigend eingestuften Tatsachenbehauptung. Unter der Überschrift "Für 37,50 € pro Nacht und Kopf im DZ gabs Bettwanzen" erschien im Hotelbewertungsportal der Beklagten eine Bewertung des Hotels der Klägerin.
Nutzer können im Portal der Beklagten Hotels auf einer Skala zwischen eins (sehr schlecht) und sechs (sehr gut) bewerten. Hieraus berechnet die Beklagte bestimmte Durchschnittswerte und eine Weiterempfehlungsrate. Bevor die Beklagte Nutzerbewertungen in ihr Portal aufnimmt, durchlaufen diese eine Wortfiltersoftware, die u.a. Beleidigungen, Schmähkritik und Eigenbewertungen von Hotelinhabern auffinden soll. Unauffällige Bewertungen werden automatisch veröffentlicht. Ausgefilterte Bewertungen werden von Mitarbeitern der Beklagten geprüft und dann gegebenenfalls manuell freigegeben.
Die Klägerin mahnte die Beklagte ab, die daraufhin die beanstandete Bewertung von ihrem Portal entfernte, jedoch die von der Klägerin verlangte strafbewehrte Unterwerfungserklärung nicht abgab. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Der Bundesgerichtshof hat die Revision gegen das Berufungsurteil zurückgewiesen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Kein "zu Eigen machen" - Keine spezifische Prüfungspflichten verletzt
Die beanstandete Nutzerbewertung sei keine eigene "Behauptung" der Beklagten, weil sie sich diese weder durch die Prüfung der Bewertungen noch durch deren statistische Auswertung inhaltlich zu Eigen gemacht habe. Die Beklagte habe die Behauptung auch nicht "verbreitet". Die Haftung eines Diensteanbieters im Sinne von § 2 Nr. 1 TMG, der - wie die Beklagte - eine neutrale Rolle einnimmt, sei nach §§ 7 Abs. 2, 10 Satz 1 Nr. 1 TMG eingeschränkt. Er hafte nur dann für die unwahren Tatsachenbehauptungen des Dritten, wenn er spezifische Prüfungspflichten verletzt hat, deren Intensität sich nach den Umständen des Einzelfalls richte. Dazu zählen die Zumutbarkeit der Prüfungspflichten und die Erkennbarkeit der Rechtsverletzung. Hierbei dürfe einem Diensteanbieter keine Prüfungspflicht auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährdet oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschwert. Danach habe die Beklagte keine spezifische Prüfungspflicht verletzt. Eine inhaltliche Vorabprüfung der Nutzerbewertungen sei ihr nicht zumutbar.
Keine Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten
Eine Haftung auf Unterlassung bestehe in einem solchen Fall erst, wenn der Betreiber eines Internetportals Kenntnis von einer klaren Rechtsverletzung erlangt und sie gleichwohl nicht beseitigt. Dieser Pflicht habe die Beklagte genügt und deshalb auch keine wettbewerblichen Verkehrspflichten im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG verletzt. Im Streitfall bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte ein hochgradig gefährliches Geschäftsmodell betreibt, das besondere Prüfungspflichten auslöst.
(tg) - Quelle: PM Nr. 41/2015 des BGH vom 19.03.2015
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Gramespacher
Online seit: 19.03.2015
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2696
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