Kurz notiert // Wettbewerbsrecht
Bundesgerichtshof
"Tippfehler-Domains" als gezielte Mitbewerber-Behinderung nach § 4 Nr. 10 UWG
BGH, Urteil vom 22.01.2014 - I ZR 164/12 - wetteronline.de; LG Köln, Urteil vom 09.08.2011 - 81 O 42/11; OLG Köln, Urteil vom 10.02.2012 - 6 U 187/11
MIR 2014, Dok. 007, Rz. 1
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Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 22.01.2014 (I ZR 164/12 - wetteronline.de) über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von Domainnamen entschieden, die bewusst in einer fehlerhaften Schreibweise eines bereits registrierten Domainnamens angemeldet sind, sogenannte "Tippfehler-Domain". Die Einrichtung solcher "Tippfehler-Domains" (Typosquatting) kann eine unlautere, gezielte Behinderung nach § 4 Nr. 10 UWG darstellen, so das Gericht.
Zur Sache
Die Klägerin betreibt unter dem Domainnamen "wetteronline.de" im Internet einen Wetterdienst. Der Beklagte ist Inhaber des Domainnamens "wetteronlin.de". Nutzer, die durch einen Tippfehler auf die Internetseite des Beklagten gelangen, werden auf eine Internetseite weitergeleitet, auf der für private Krankenversicherungen geworben wird. Für jeden Aufruf dieser Internetseite erhält der Beklagte ein Entgelt. Die Klägerin hat geltend gemacht, sie werde dadurch, dass der Beklagte Interessenten, die auf ihre Seite gelangen wollten, auf eine andere Internetseite umleite, in unlauterer Weise behindert. Zugleich werde ihr Namensrecht verletzt. Sie hat den Beklagten daher auf Unterlassung der Benutzung und Einwilligung in die Löschung des Domainnamens "wetteronlin.de" sowie auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen und die Feststellung der Schadensersatzpflicht begehrt.
Das Landgericht hat den Beklagten im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat angenommen, die geltend gemachten Ansprüche bestünden sowohl unter dem Gesichtspunkt einer wettbewerbswidrigen Behinderung als auch wegen Verletzung des Namensrechts der Klägerin.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Keine Namensrechtsverletzung
Auf die Revision des Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit die Klageanträge auf die Verletzung des Namensrechts gestützt waren. Der Bundesgerichtshof hat eine für den Namensschutz erforderliche namensmäßige Unterscheidungskraft der Bezeichnung "wetteronline" verneint, weil es sich um einen rein beschreibenden Begriff handele. Mit "wetteronline" werde der Geschäftsgegenstand der Klägerin bezeichnet, "online" Informationen und Dienstleistungen zum Thema "Wetter" anzubieten.
Aber: Sogenannte "Tippfehler-Domains" können eine gezielte Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG darstellen
Dagegen hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass die konkrete Benutzung der "Tippfehler-Domain" unter dem Gesichtspunkt des Abfangens von Kunden gegen das Verbot unlauterer Behinderung gemäß § 4 Nr. 10 UWG verstoße, wenn der Nutzer auf der sich öffnenden Internetseite nicht sogleich und unübersehbar auf den Umstand hingewiesen wird, dass er sich nicht auf der Seite "wetteronline.de" befindet. Den auf eine unlautere Behinderung gestützten Antrag auf Einwilligung in die Löschung des Domainnamens "wetteronlin.de" hat der Bundesgerichtshof abgewiesen, weil eine rechtlich zulässige Nutzung denkbar sei und die bloße Registrierung des Domainnamens die Klägerin nicht unlauter behindert.
(tg) - Quelle: PM Nr. 10/2014 des BGH vom 22.01.2014
Zur Sache
Die Klägerin betreibt unter dem Domainnamen "wetteronline.de" im Internet einen Wetterdienst. Der Beklagte ist Inhaber des Domainnamens "wetteronlin.de". Nutzer, die durch einen Tippfehler auf die Internetseite des Beklagten gelangen, werden auf eine Internetseite weitergeleitet, auf der für private Krankenversicherungen geworben wird. Für jeden Aufruf dieser Internetseite erhält der Beklagte ein Entgelt. Die Klägerin hat geltend gemacht, sie werde dadurch, dass der Beklagte Interessenten, die auf ihre Seite gelangen wollten, auf eine andere Internetseite umleite, in unlauterer Weise behindert. Zugleich werde ihr Namensrecht verletzt. Sie hat den Beklagten daher auf Unterlassung der Benutzung und Einwilligung in die Löschung des Domainnamens "wetteronlin.de" sowie auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen und die Feststellung der Schadensersatzpflicht begehrt.
Das Landgericht hat den Beklagten im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat angenommen, die geltend gemachten Ansprüche bestünden sowohl unter dem Gesichtspunkt einer wettbewerbswidrigen Behinderung als auch wegen Verletzung des Namensrechts der Klägerin.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Keine Namensrechtsverletzung
Auf die Revision des Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit die Klageanträge auf die Verletzung des Namensrechts gestützt waren. Der Bundesgerichtshof hat eine für den Namensschutz erforderliche namensmäßige Unterscheidungskraft der Bezeichnung "wetteronline" verneint, weil es sich um einen rein beschreibenden Begriff handele. Mit "wetteronline" werde der Geschäftsgegenstand der Klägerin bezeichnet, "online" Informationen und Dienstleistungen zum Thema "Wetter" anzubieten.
Aber: Sogenannte "Tippfehler-Domains" können eine gezielte Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG darstellen
Dagegen hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass die konkrete Benutzung der "Tippfehler-Domain" unter dem Gesichtspunkt des Abfangens von Kunden gegen das Verbot unlauterer Behinderung gemäß § 4 Nr. 10 UWG verstoße, wenn der Nutzer auf der sich öffnenden Internetseite nicht sogleich und unübersehbar auf den Umstand hingewiesen wird, dass er sich nicht auf der Seite "wetteronline.de" befindet. Den auf eine unlautere Behinderung gestützten Antrag auf Einwilligung in die Löschung des Domainnamens "wetteronlin.de" hat der Bundesgerichtshof abgewiesen, weil eine rechtlich zulässige Nutzung denkbar sei und die bloße Registrierung des Domainnamens die Klägerin nicht unlauter behindert.
(tg) - Quelle: PM Nr. 10/2014 des BGH vom 22.01.2014
Anm. der Redaktion: Vgl. zur Thematik "Tippfehler-Domains" und zur Problematik der Haftung des Publishers für rechtswidriges Typosquatting durch den beauftragten Affiliate jüngst: OLG Köln, Urteil vom 18.10.2013 - 6 U 36/13, MIR 2014, Dok. 005.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Gramespacher
Online seit: 22.01.2014
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2540
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