Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
OLG Köln, Urteil vom 18.10.2013 - 6 U 36/13
Haftung des Publishers für Typosquatting durch den beauftragten Affiliate - Die Einrichtung von "Tippfehlerdomains" stellt eine gezielte Behinderung des Inhaber der betreffenden Domain gemäß § 4 Nr. 10 UWG dar.
UWG §§ 4 Nr. 10; § 8 Abs. 2
Leitsätze:*1. Die Einrichtung von "Tippfehlerdomains" mit der Weiterleitung zu der Website eines Mitbewerbers ist objektiv darauf angelegt, Nutzer von der ohne Tippfehler geschriebenen Domains "umzuleiten. Ein solches "Typosquatting" stellt eine gezielte Behinderung des Inhaber der betreffenden Domain (URL) gemäß § 4 Nr. 10 UWG dar (OLG Köln, Urteil vom 10.02.2012 - 6 U 187/11).
2. Zur Haftung des Publishers gemäß § 8 Abs. 2 UWG für rechtswidriges "Typosquatting" durch einen beauftragten Affiliate (hier: bejaht).
3. Die Tatbestandsmerkmale "in einem Unternehmen von ... einem Beauftragten" (§ 8 Abs. 2 UWG, enstprechend § 14 Nr. 7 MarkenG) sind gemäß dem Zweck der Vorschrift weit auszulegen. Der Unternehmensinhaber soll sich bei Wettbewerbsverstößen nicht hinter mehr oder weniger von ihm abhängingen Dritten verstecken können (BGH, GRUR 2008, 186 - Telefonaktion; BGH, GRUR 2009, 1167 - Partnerprogramm; OLG Köln, GRUR-RR 2006, 205). Beauftragter ist jeder, der in die betriebliche Organisation des Unternehmens in der Weise eingegliedert ist, dass der Erfolg seiner Geschäftstätigkeit dem Inhaber zu Gute kommt und der Inhaber einen bestimmenden durchsetzbaren Einfluss auf diejenige Tätigkeit des Beauftragten hat, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt (BGH, GRUR 2005, 864 - Meißner Dekor II). Dabei kommt es nicht darauf an, welchen Einfluss sich der Inhaber gesichert hat, sondern darauf, welchen Einfluss er sich sichern konnte und musste. Der Unternehmensinhaber haftet daher gegebenenfalls auch für ohne sein Wissen und gegen seinen Willen von einem Beauftragten begangene Rechtsverstöße (vgl. BGH, GRUR 2009, 1167 – Partnerprogramm; BGH, GRUR 2011, 617 – Sedo).
Beauftragte in diesem Sinne sind auch Werbepartner des Betreibers einer Internetseite, die im Rahmen eines Werbepartnerprogramms gegen Zahlung einer erfolgsabhängigen Provision auf ihren Webseiten elektronische Verweise auf jene Internetseite bereitstellen, um für das dortige Angebot zu werben (vgl. BGH, GRUR 2009, 1167 – Partnerprogramm).
Die Gestaltung der Partnerseite, von der aus per Link die Webseite des werbenden Unternehmen aufgerufen werden kann, ist diesem grundsätzlich unabhängig davon zuzurechnen, wie die Beteiligten ihre Rechtsbeziehungen ausgestalten (BGH, GRUR 2009, 1167 – Partnerprogramm) und inwieweit der Werbepartner bei der Webseitengestaltung gegen ausdrückliche vertragliche Abreden verstößt (OLG Senat, K&R 2008, 465 – Nova Nutria). Die Haftung des Unternehmensinhabers endet allerdings, wo das Handeln des Beauftragten nicht mehr seiner Geschäftsorganisation, sondern der eines Dritten oder des Beauftragten selbst zuzurechnen ist (wird ausgeführt).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Gramespacher
Online seit: 16.01.2014
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2538
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
BGH, Urteil vom 26.01.2023 - I ZR 111/22, MIR 2023, Dok. 025
Ausgestaltung des Kündigungsbuttons - Der Kündigungsprozess für Verbraucherverträge im elektronischen Geschäftsverkehr muss ohne Anmeldung unmittelbar und leicht zugänglich sein
Oberlandesgericht Düsseldorf, MIR 2024, Dok. 042
Du sollst nicht verschweigen Deines Gegners Schriftsatz - Im einstweiligen Verfügungsverfahren hat der Antragsteller alles Zumutbare und Mögliche zu tun, damit das Gericht die Grundsätze der prozessualen Waffengleichheit einhalten kann (aut simile!)
OLG München, Urteil vom 05.08.2021 - 29 U 6406/20, MIR 2021, Dok. 079
Namensangabe - Bei einer telefonischen Kontaktaufnahme im Sinne von § 312a Abs. 1 BGB müssen nur die Identität des Unternehmers und der geschäftliche Zweck offengelegt werden, nicht aber die Identität eines anrufenden Mitarbeiters
BGH, Urteil vom 19.04.2018 - I ZR 244/16, MIR 2018, Dok. 032
"im Vertrieb" - Zur Irreführung über die Lieferbarkeit eines Medikaments kurz vor Markteintritt und zur Erledigung, dem Wegfall der Dringlichkeit und dem Rechtsschutzbedürfnis bei einer zeitlich beschränkten einstweiligen Verfügung
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 18.08.2022 - 6 U 56/22, MIR 2022, Dok. 091