Rechtsprechung // Markenrecht
BGH, Urteil vom 27.06.2013 - I ZR 53/12
Fleurop - Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion einer Marke durch AdWords-Werbung bei naheliegender Vermutung einer wirtschaftlichen Verbindung zwischen Markeninhaber und werbenden Dritten.
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 1 und 2
Leitsätze:*1. Die Beurteilung, ob die Herkunftsfunktion einer Marke beeinträchtigt wird, wenn Internetnutzern anhand eines mit der Marke identischen oder der Marke ähnlichen Schlüsselworts eine Anzeige eines Dritten gezeigt wird, erfordert eine zweistufige Prüfung: Zunächst hat das Gericht festzustellen, ob bei einem normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer aufgrund der allgemein bekannten Marktmerkmale das Wissen zu unterstellen ist, dass der Werbende und der Markeninhaber nicht miteinander wirtschaftlich verbunden sind, sondern miteinander im Wettbewerb stehen. Fehlt ein solches allgemeines Wissen, hat das Gericht zu prüfen, ob der Internetnutzer aus der Werbeanzeige erkennen kann, dass die vom Werbenden angebotenen Waren oder Dienstleistungen nicht vom Markeninhaber oder mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen (mit Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH, vgl. EuGH, Urteil vom 22.09.2011 - C-323/09, Slg. 2011, I-8625 - Interflora/M&S Interflora Inc. - wird ausgeführt).
2. Wird Internetnutzern anhand eines mit der Marke identischen oder verwechselbaren Schlüsselworts eine Anzeige eines Dritten gezeigt (Keyword-Advertising), ist eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Marke zwar in der Regel zu verneinen, wenn die Anzeige in einem von der Trefferliste eindeutig getrennten und entsprechend gekennzeichneten Werbeblock erscheint und selbst weder die Marke noch sonst einen Hinweis auf den Markeninhaber oder die unter der Marke angebotenen Produkte enthält. Liegt jedoch für den angesprochenen Verkehr aufgrund eines ihm bekannten Vertriebssystems des Markeninhabers die Vermutung nahe, dass es sich bei dem Dritten um ein Partnerunternehmen des Markeninhabers handelt, ist die Herkunftsfunktion der Marke bereits dann beeinträchtigt, wenn in der Werbeanzeige nicht auf das Fehlen einer wirtschaftlichen Verbindung zwischen dem Markeninhaber und dem Dritten hingewiesen wird (Fortführung von BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - I ZR 217/10, GRUR 2013, 290 = WRP 2013, 505 - MOST-Pralinen).
Die Entscheidung "MOST-Pralinen" (BGH, Urteil vom 13.12.2012 - I ZR 217/10, vgl. LS 2) ist veröffentlicht in MIR 2013, Dok. 012.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Gramespacher
Online seit: 02.01.2014
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2534
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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