Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 31.10.2012 - I ZR 205/11
Preisrätselgewinnauslobung V - Ein in einer Zeitschrift abgedruckter und mit "Preisrätsel" überschriebener Beitrag, der sowohl redaktionelle als auch werbliche Elemente enthält, verstößt gegen das Verschleierungsverbot des § 4 Nr. 3 UWG, wenn der werbliche Charakter nicht bereits auf den ersten Blick erkennbar ist.
UWG § 4 Nr. 3
Leitsätze:*1. Nach § 4 Nr. 3 UWG handelt unlauter, wer den werblichen Charakter einer geschäftlichen Handlung verschleiert. Mit dieser Vorschrift soll das medienrechtliche Verbot der Schleichwerbung auf alle Formen der Werbung ausgedehnt werden. Die Bestimmung des § 4 Nr. 3 UWG bezweckt den Schutz der Verbraucher vor einer Täuschung über den kommerziellen Hintergrund geschäftlicher Maßnahmen. Eine Verschleierung liegt vor, wenn die Handlung so vorgenommen wird, dass der Werbecharakter nicht klar und eindeutig zu erkennen ist.
2. Grundlage des in § 4 Nr. 3 UWG - ebenso wie in Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG - enthaltenen Verbots redaktioneller Werbung ist die damit regelmäßig einhergehende Irreführung des Lesers, der dem Beitrag aufgrund seines redaktionellen Charakters unkritischer gegenübertritt und ihm auch größere Bedeutung und Beachtung bemisst (vgl. BGH, Urteil vom 10.07.1981 - I ZR 96/79 - Getarnte Werbung I; BGH, Urteil vom 07.07.1994 - I ZR 104/93 - Preisrätselgewinnauslobung I). Wird in einer Zeitschrift der redaktionelle Teil mit Werbung vermischt, ist im Allgemeinen eine Irreführung anzunehmen (BGH, Urteil vom 20.02.1997 - I ZR12/95 - Emil-Grünbär-Klub; BGH, Urteil vom 30.04.1997 - I ZR 154/95 - Die Besten II). Dies gilt unabhängig davon, ob der Beitrag gegen Entgelt oder im Zusammenhang mit einer Anzeigenwerbung geschaltet wurde (BGH, GRUR 1994, 821, 822 - Preisrätselgewinnauslobung I). Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der redaktionelle Beitrag das Produkt über das durch eine sachliche Information bedingte Maß hinaus werbend darstellt. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Inhalt des Berichts, dessen Anlass und Aufmachung sowie die Gestaltung und Zielsetzung des Presseorgans, zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 18.02.1993 - I ZR 219/91 - Faltenglätter).
3. Ein in einer Zeitschrift abgedruckter Beitrag, der mit "Preisrätsel" überschrieben ist und sowohl redaktionelle als auch werbliche Elemente enthält, verstößt gegen das Verschleierungsverbot des § 4 Nr. 3 UWG, wenn der werbliche Charakter der Veröffentlichung für einen durchschnittlich informierten und situationsadäquat aufmerksamen Leser nicht bereits auf den ersten Blick, sondern erst nach einer analysierenden Lektüre des Beitrags erkennbar wird.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 30.06.2013
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2471
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
BGH, Urteil vom 16.03.2021 - X ZR 9/20, MIR 2021, Dok. 064
Formularmäßige Vergütungsvereinbarung gegenüber Verbrauchern - Zur unangemessenen Benachteiligung bei der Vereinbarung von Mindestvergütung und Zeithonorar
BGH, Urteil vom 13.02.2020 - IX ZR 140/19, MIR 2020, Dok. 025
Amazons überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb bestätigt - Erste Entscheidung zu § 19a Abs. 1 GWB
Bundesgerichtshof, MIR 2024, Dok. 034
Langjährig oder jahrelang? - Zur Werbung eines Unternehmens mit "jahrelanger Erfahrung"
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 25.03.2021 - 6 U 212/19, MIR 2021, Dok. 047
Webshop Awards - Eine geschäftliche Handlung, die eine unwahre Angabe i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 UWG enthält, kann unabhängig davon i.S.v. § 5 Abs. 1 UWG irreführend sein, ob diese Angabe einen der in § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 UWG aufgeführten Umstände betrifft
BGH, Urteil vom 12.05.2022 - I ZR 203/20, MIR 2022, Dok. 050