Kurz notiert
Bundesgerichtshof
Wegfall der Wiederholungsgefahr - Zulässigkeit einer Presseberichterstattung über ein laufendes Strafverfahren.
BGH, Urteil vom 19.03.2013 - VI ZR 93/12; Vorinstanzen: LG Köln, Urteil vom 22.06.2011 - 28 O 956/10; OLG Köln, Urteil vom 14.02.2012 – 15 U 123/11
MIR 2013, Dok. 017, Rz. 1
1
Mit Urteil vom 19.03.2013 hat der Bundesgerichtshof zur Zulässigkeit einer Presseberichterstattung über ein laufendes Strafverfahren entschieden (VI ZR 93/12). Im vorliegenden Fall war die, für den insoweit geltend gemachten Unterlassungsanspruch wegen einer zunächst rechtswidrigen Äußerung in einem Artikel notwendige, Wiederholunggefahr nachträglich entfallen.
Zur Sache
Der Kläger war bis zu seiner Verhaftung im März 2010 wegen des Verdachts der Vergewaltigung einer damaligen Freundin als Fernsehmoderator und Journalist tätig. Er wendet sich mit seinem Unterlassungsbegehren gegen eine ihn betreffende Online-Berichterstattung auf dem von der Beklagten betriebenen Internetportal "www.bild.de" während eines gegen ihn geführten Strafverfahrens.
Kurz nach seiner Verhaftung begann eine intensive Medienberichterstattung über das gegen ihn wegen schwerer Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung eingeleitete Strafverfahren sowie über sein bis zu diesem Zeitpunkt der breiten Öffentlichkeit unbekanntes Privatleben, insbesondere seine Beziehungen zu Frauen. Durch inzwischen rechtskräftiges Urteil wurde er von den Tatvorwürfen freigesprochen.
In dem vom Bundesgerichtshof verhandelten Rechtsstreit hat der Kläger das verklagte Presseorgan auf Unterlassung wegen noch vor der Eröffnung des Hauptverfahrens erfolgter Äußerungen in einem am 13.06.2010 auf der von der Beklagten betriebenen Internetseite aufrufbar gestellten Artikel mit der Überschrift "Magazin "Focus" veröffentlicht intime Details - Der K….-Krimi: Neue Indizien aus der Tatnacht") in Anspruch genommen. Anlass des Artikels waren bekannt gewordene Passagen aus der Einlassung des Klägers in seiner ersten richterlichen Vernehmung. Das Protokoll dieser Vernehmung wurde später in der öffentlichen Hauptverhandlung im Strafverfahren verlesen.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen die beanstandeten Äußerungen, aus denen sich Rückschlüsse auf die sexuellen Neigungen des Klägers ergaben, wie in dem Artikel vom 13.06.2010 zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Trotz rechtswidriger Berichterstattung hier kein Unterlassungsanspruch wegen Wegfall der Wiederholungsgefahr.
Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof (VI. Zivilsenat) die Unterlassungsklage nunmehr abgewiesen.
Wegen der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) folgenden und in Art. 6 Abs. 2 der europäischen Menschenrechtskonvention anerkannten Unschuldsvermutung und einer möglichen durch die Medienberichterstattung bewirkten Stigmatisierung sei die Veröffentlichung des Artikels im Juni 2010 wegen einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers zwar rechtswidrig. Ein Unterlassungsanspruch des Klägers bestehe hier gleichwohl nicht. Nach Verlesung des Protokolls über seine haftrichterliche Vernehmung in der öffentlichen Hauptverhandlung sei eine aktuelle Prozessberichterstattung unter Einbeziehung der beanstandeten Äußerungen zulässig und infolgedessen die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr (nachträglich) entfallen, so der Bundesgerichtshof. Der Unterlassungsanspruch sei auch nicht wieder neu entstanden. Der Kläger habe sich mit seinem Unterlassungsantrag gegen die aktuelle Berichterstattung im Strafverfahren gewandt. Umstände dafür, dass die Beklagte eine erneute Veröffentlichung in dieser Form vornehmen könnte, seien nicht ersichtlich.
(tg) - Quelle: PM Nr. Nr. 046/2013 des BGH vom 19.03.2013
Zur Sache
Der Kläger war bis zu seiner Verhaftung im März 2010 wegen des Verdachts der Vergewaltigung einer damaligen Freundin als Fernsehmoderator und Journalist tätig. Er wendet sich mit seinem Unterlassungsbegehren gegen eine ihn betreffende Online-Berichterstattung auf dem von der Beklagten betriebenen Internetportal "www.bild.de" während eines gegen ihn geführten Strafverfahrens.
Kurz nach seiner Verhaftung begann eine intensive Medienberichterstattung über das gegen ihn wegen schwerer Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung eingeleitete Strafverfahren sowie über sein bis zu diesem Zeitpunkt der breiten Öffentlichkeit unbekanntes Privatleben, insbesondere seine Beziehungen zu Frauen. Durch inzwischen rechtskräftiges Urteil wurde er von den Tatvorwürfen freigesprochen.
In dem vom Bundesgerichtshof verhandelten Rechtsstreit hat der Kläger das verklagte Presseorgan auf Unterlassung wegen noch vor der Eröffnung des Hauptverfahrens erfolgter Äußerungen in einem am 13.06.2010 auf der von der Beklagten betriebenen Internetseite aufrufbar gestellten Artikel mit der Überschrift "Magazin "Focus" veröffentlicht intime Details - Der K….-Krimi: Neue Indizien aus der Tatnacht") in Anspruch genommen. Anlass des Artikels waren bekannt gewordene Passagen aus der Einlassung des Klägers in seiner ersten richterlichen Vernehmung. Das Protokoll dieser Vernehmung wurde später in der öffentlichen Hauptverhandlung im Strafverfahren verlesen.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen die beanstandeten Äußerungen, aus denen sich Rückschlüsse auf die sexuellen Neigungen des Klägers ergaben, wie in dem Artikel vom 13.06.2010 zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Trotz rechtswidriger Berichterstattung hier kein Unterlassungsanspruch wegen Wegfall der Wiederholungsgefahr.
Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof (VI. Zivilsenat) die Unterlassungsklage nunmehr abgewiesen.
Wegen der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) folgenden und in Art. 6 Abs. 2 der europäischen Menschenrechtskonvention anerkannten Unschuldsvermutung und einer möglichen durch die Medienberichterstattung bewirkten Stigmatisierung sei die Veröffentlichung des Artikels im Juni 2010 wegen einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers zwar rechtswidrig. Ein Unterlassungsanspruch des Klägers bestehe hier gleichwohl nicht. Nach Verlesung des Protokolls über seine haftrichterliche Vernehmung in der öffentlichen Hauptverhandlung sei eine aktuelle Prozessberichterstattung unter Einbeziehung der beanstandeten Äußerungen zulässig und infolgedessen die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr (nachträglich) entfallen, so der Bundesgerichtshof. Der Unterlassungsanspruch sei auch nicht wieder neu entstanden. Der Kläger habe sich mit seinem Unterlassungsantrag gegen die aktuelle Berichterstattung im Strafverfahren gewandt. Umstände dafür, dass die Beklagte eine erneute Veröffentlichung in dieser Form vornehmen könnte, seien nicht ersichtlich.
(tg) - Quelle: PM Nr. Nr. 046/2013 des BGH vom 19.03.2013
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 19.03.2013
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2452
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