Kurz notiert
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg
Anonyme Hotelbewertungen im Internet sind nicht generell zu verbieten.
Hanseatisches OLG Hamburg, Urteil vom 18.01.2012 - 5 U 51/11; Vorinstanz: LG Hamburg, Urteil vom 25.01.2011 - 312 O 429/09
MIR 2012, Dok. 003, Rz. 1
1
Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat am 18.01.2012 die Berufung einer Hotel- und Hostelbetreiberin zurückgewiesen, mit der diese erreichen wollte, dass ihr Hotel bzw. Hostel nicht mehr in einer Hotelbewertungsportal bewertet werden darf.
Zur Sache
Die Klägerin betreibt in Berlin unter einem Dach ein Hotel und ein Hostel.
Die Beklagte vermittelt in ihrem Reiseportal im Internet Reisen und Hotelübernachtungen. Zugleich bietet sie Internetnutzern die Möglichkeit, in dem Bewertungsbereich des Portals Kommentare über Hotels und Reisen abzugeben und die Kommentare anderer Nutzer anzusehen. Auch über das Haus der Klägerin befanden sich Bewertungen im Portal der Beklagten. Hier berichteten Nutzer von zahlreichen Mängeln ihrer Unterkunft.
Die Klägerin war der Auffassung, die Beklagte habe mit dem Portal einen virtuellen „Pranger“ geschaffen, an dem jedermann – unabhängig davon, ob er Gast im Hotel gewesen sei - völlig anonym und risikolos veröffentlichen könne, was er wolle, und zwar ohne dass eine ausreichende Inhaltskontrolle stattfinde. Ihr stehe gegen die Beklagte hinsichtlich der Bewertung ihres Hauses ein Unterlassungsanspruch zu.
Nachdem die Klage der Klägerin bereits vor dem Landgericht Hamburg abgewiesen worden war (Az. 312 O 429/09), hatte nun auch die Berufung gegen das landgerichtliche Urteil keinen Erfolg.
Entscheidung des Gerichts: Kein Unterlassungsanspruch der Klägerin
Nach Auffassung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg ergbe die Abwägung der Interessen der Klägerin gegen jene der Beklagten, der Nutzer des Bewertungsportals sowie der an Hotelbewertungsportalen interessierten Öffentlichkeit, dass der Klägerin der geltend gemachte umfassende Unterlassungsanspruch nicht zustehe. Die Klägerin sei unzutreffenden und für ihren Hotelbetrieb abträglichen Bewertungen nicht schutzlos ausgeliefert, da sie deren Löschung verlangen und dies gegebenenfalls auch gerichtlich durchsetzen könne.
Schützwürdiges Informationsinteresse der Allgemeinheit: Allgemeines Verbot wird Betrieb einer Bewertungsplattform unmöglich machen
Das von der Klägerin begehrte allgemeine Bewertungsverbot führe jedoch dazu, dass das von der Rechtsordnung anerkannte Betreiben einer Hotelbewertungsplattform unmöglich gemacht werden könnte. Das liege nicht im Interesse der Allgemeinheit, die ein schutzwürdiges Interesse an Information auch durch derartige Bewertungsportale besitze.
Auch anonyme Meinungsäußerung sind geschützt
An dem Ergebnis der Interessenabwägung ändere sich auch nichts dadurch, dass die Beklagte eine im Wesentlichen anonyme Bewertung zulasse. Denn auch anonym abgegebene Meinungsäußerungen stünden unter dem Schutz der Meinungs- und Kommunikationsfreiheit.
(tg) - Quelle: PM des Hanseatischen OLG vom 18.01.2012
Zur Sache
Die Klägerin betreibt in Berlin unter einem Dach ein Hotel und ein Hostel.
Die Beklagte vermittelt in ihrem Reiseportal im Internet Reisen und Hotelübernachtungen. Zugleich bietet sie Internetnutzern die Möglichkeit, in dem Bewertungsbereich des Portals Kommentare über Hotels und Reisen abzugeben und die Kommentare anderer Nutzer anzusehen. Auch über das Haus der Klägerin befanden sich Bewertungen im Portal der Beklagten. Hier berichteten Nutzer von zahlreichen Mängeln ihrer Unterkunft.
Die Klägerin war der Auffassung, die Beklagte habe mit dem Portal einen virtuellen „Pranger“ geschaffen, an dem jedermann – unabhängig davon, ob er Gast im Hotel gewesen sei - völlig anonym und risikolos veröffentlichen könne, was er wolle, und zwar ohne dass eine ausreichende Inhaltskontrolle stattfinde. Ihr stehe gegen die Beklagte hinsichtlich der Bewertung ihres Hauses ein Unterlassungsanspruch zu.
Nachdem die Klage der Klägerin bereits vor dem Landgericht Hamburg abgewiesen worden war (Az. 312 O 429/09), hatte nun auch die Berufung gegen das landgerichtliche Urteil keinen Erfolg.
Entscheidung des Gerichts: Kein Unterlassungsanspruch der Klägerin
Nach Auffassung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg ergbe die Abwägung der Interessen der Klägerin gegen jene der Beklagten, der Nutzer des Bewertungsportals sowie der an Hotelbewertungsportalen interessierten Öffentlichkeit, dass der Klägerin der geltend gemachte umfassende Unterlassungsanspruch nicht zustehe. Die Klägerin sei unzutreffenden und für ihren Hotelbetrieb abträglichen Bewertungen nicht schutzlos ausgeliefert, da sie deren Löschung verlangen und dies gegebenenfalls auch gerichtlich durchsetzen könne.
Schützwürdiges Informationsinteresse der Allgemeinheit: Allgemeines Verbot wird Betrieb einer Bewertungsplattform unmöglich machen
Das von der Klägerin begehrte allgemeine Bewertungsverbot führe jedoch dazu, dass das von der Rechtsordnung anerkannte Betreiben einer Hotelbewertungsplattform unmöglich gemacht werden könnte. Das liege nicht im Interesse der Allgemeinheit, die ein schutzwürdiges Interesse an Information auch durch derartige Bewertungsportale besitze.
Auch anonyme Meinungsäußerung sind geschützt
An dem Ergebnis der Interessenabwägung ändere sich auch nichts dadurch, dass die Beklagte eine im Wesentlichen anonyme Bewertung zulasse. Denn auch anonym abgegebene Meinungsäußerungen stünden unter dem Schutz der Meinungs- und Kommunikationsfreiheit.
(tg) - Quelle: PM des Hanseatischen OLG vom 18.01.2012
Online seit: 20.01.2012
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2381
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
Was Sie noch interessieren könnte...
Werbung für umfassende ärztliche Fernbehandlungen unzulässig
Bundesgerichtshof, MIR 2021, Dok. 096
App-Zentrum & Lindenapotheke - Verbraucherschutzverbände und Mitbewerber können grundsätzlich befugt sein, Verstöße gegen die DSGVO wettbewerbsrechtlich zu verfolgen
Bundesgerichtshof, MIR 2025, Dok. 025
Versiegelte Waren?! - Widerrufsrecht besteht beim Fernabsatzkauf einer Matratze auch nach Entfernung einer Schutzfolie
EuGH, Urteil vom 27.03.2019 - C‑681/17, MIR 2019, Dok. 011
dm-drogerie markt - Zur Irreführung bei einer Werbung mit der Angabe "hautfreundlich" für ein Biozidprodukt (Desinfektionsmittel)
EuGH, Urteil vom 20.06.2024 - C‑296/23, MIR 2024, Dok. 050
Anti-Kater-Tabletten - Werbung für Lebensmittel (hier Mineralstoffe) mit dem Zusatz 'Anti-Kater' untersagt
Oberlandesgericht Frankfurt a.M., MIR 2024, Dok. 094
Bundesgerichtshof, MIR 2021, Dok. 096
App-Zentrum & Lindenapotheke - Verbraucherschutzverbände und Mitbewerber können grundsätzlich befugt sein, Verstöße gegen die DSGVO wettbewerbsrechtlich zu verfolgen
Bundesgerichtshof, MIR 2025, Dok. 025
Versiegelte Waren?! - Widerrufsrecht besteht beim Fernabsatzkauf einer Matratze auch nach Entfernung einer Schutzfolie
EuGH, Urteil vom 27.03.2019 - C‑681/17, MIR 2019, Dok. 011
dm-drogerie markt - Zur Irreführung bei einer Werbung mit der Angabe "hautfreundlich" für ein Biozidprodukt (Desinfektionsmittel)
EuGH, Urteil vom 20.06.2024 - C‑296/23, MIR 2024, Dok. 050
Anti-Kater-Tabletten - Werbung für Lebensmittel (hier Mineralstoffe) mit dem Zusatz 'Anti-Kater' untersagt
Oberlandesgericht Frankfurt a.M., MIR 2024, Dok. 094