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Rechtsprechung



AG München, Urteil vom 16.10.2009 - 423 C 34037/08

Videoüberwachung im Treppenhaus - Zum Beseitigungsanspruch des Mieters bei einer vom Vermieter im Hauseingangsinnenbereich angebrachten Überwachungskamera.

GG Art. 2 Abs. 1; BGB §§ 823, 1004

Leitsätze:*

1. Die Videoüberwachung durch eine im Hauseingangsinnenbereich (hier: Treppenhaus im Erdgeschoss) eines Mietobjekts angebrachte Kamera stellt – unabhängig davon, ob eine Speicherung der Aufnahmen erfolgt – einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrecht des Mieters sowie in dessen Besitzrecht an der gemieteten Wohnung dar.

2. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 GG umfasst auch die Freiheit von ungewünschter Kontrolle oder Überwachung durch Dritte, wobei dies für den Mieter einer Wohnung nicht nur die Freiheit beinhaltet, die eigene Wohnung bzw. das Haus zu verlassen oder zu betreten, ohne dass der Vermieter dies jederzeit überwachen und die An- oder Abwesenheit des Mieters feststellen kann. Schutzgegenstand des Persönlichkeitsrechts des Mieters ist auch das Recht, ungestört und unüberwacht Besuch empfangen zu können, ohne dass dem Vermieter seinerseits ein Recht auf dauerhafte Überprüfung zusteht, welche Personen wann oder wie oft bei dem Mieter zu Besuch sind.

3. Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Mieters wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn die Überwachung zur Abwehr von schwerwiegenden Beeinträchtigungen des Vermieters erforderlich ist und eine drohende Rechtsverletzung nicht anderweitig zu verhindern ist. Unerheblich ist hierbei, ob eine verdeckte oder offene Videoüberwachung vorliegt. Zwar kann der Betroffene bei einer für jeden erkennbaren Videoüberwachung zumindest sein Verhalten darauf einstellen, dass er unter Beobachtung steht, die Überwachungsfunktion und damit der Eingriff in den geschützten persönlichen Bereich bleiben indes gleich.

4. Die Rechtfertigung eines solchen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht wäre allenfalls dann denkbar, wenn durch derartige Überwachungsmaßnahmen künftige Schäden (hier: Sachbeschädigung des Hauses durch Farbbesprühungen auf Eingangstür, Klingel, Lichtschalter und Gehweg) bzw. Verletzungen der Rechte des Vermieters wirkungsvoll verhindert werden könnten. Hiervon kann aber etwa dann nicht ausgegangen werden, wenn die innen angebrachte (Video-) Kamera den zu schützenden Außenbereich nur bei geöffneter Haustür – und sonst nicht – erfasst. Darüber hinaus ist fraglich, ob bereits eine einmalige Sachbeschädigung einen derartig massiven Eingriff in die Rechtspositionen des Mieters rechtfertigt.

MIR 2010, Dok. 061


Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: RAin Uta Wichering
Online seit: 22.04.2010
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2160

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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