Rechtsprechung
LG Mannheim, Urteil vom 14.01.2010 - 10 S 53/09
Internet-Abofallen - Kein Vertragsschluss wegen Dissens und Erstattung von Rechtsanwaltskosten für die Abwehr der unberechtigten Inanspruchnahme bei so genannten Internet-Abofallen.
BGB §§ 133, 155, 157, 280, 311
Leitsätze:*1. Ist die Anmeldemaske für den "Memberbereich" eines Internetangebots so gestaltet, dass der Durchschnittsverbraucher und Interessent über tatsächlich
entstehende Kosten nicht ohne Weiteres informiert wird (so genannte "Internet-Abofalle"), d.h. einen leicht erkennbaren und gut wahrnehmbaren Hinweis auf
entstehende Kosten nicht enthält, so darf der Interessent – nach der gebotenen Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB – davon ausgehen, dass das betreffende Angebot
keine Kosten verursachen wird. Insoweit liegt ein Dissens gemäß § 155 BGB vor, mit der Folge, dass durch die Anmeldung ein Vertrag zwischen den Parteien nicht
zustande kommt. Dies gilt umso mehr, wenn etwa Leistungen wie Downloads angeboten werden, die anderweitig auch legal kostenlos zu erhalten sind.
2. Grundsätzlich kommt im Fall der unberechtigten Inanspruchnahme als angeblicher Schuldner für den Ersatz der (Rechtsanwalts-) Kosten zur Abwehr solcher
Forderungen ein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB in Betracht, wenn der vermeintliche Gläubiger zumindest fahrlässig handelt (§ 280 Abs. 2 BGB).
Fahrlässigkeit ist hierbei nicht schon dann anzunehmen, wenn der Gläubiger nicht erkennt, dass seine Forderung der Sache nach nicht berechtigt ist. Ergibt eine
Plausibilitätskontrolle, dass nicht sicher vom Nichtbestehen der Forderung ausgegangen werden muss, besteht auch bei der Geltendmachung von im Ergebnis (nur)
vermeintlichen Ansprüchen keine Schadenersatzpflicht (vgl. BGH, Urteil vom 16.01.2009 – Az. V ZR 133/08).
3. Nach diesen Grundsätzen handelt ein vermeintlicher Gläubiger (hier: Betreiber einer so genannten Internet-Abofalle) jedenfalls dann fahrlässig, wenn er
im Fall der Nichtzahlung eines vermeintlichen Schuldners und Rechnungsempfängers ohne vorherige Kontaktaufnahme oder Nachfrage nach dem Grund der Nichtzahlung
sofort anwaltliche Hilfe in Anspruch nimmt und damit eine entsprechende Erhöhung der Forderung um die Rechtsanwaltsgebühren herbeiführt. Dann ist es nicht zu
beanstanden, wenn sich der Inanspruchgenommene seinerseits anwaltlicher Hilfe bedient, um auf den anwaltlichen Schriftsatz des vermeintlichen Gläubigers antworten
zu lassen. Kommt hinzu, dass der vermeintliche Gläubiger aufgrund zahlreicher Verbraucherbeschwerden um sein zumindest missverständliches Angebot wusste und wird die
Forderung sofort nach der anwaltlichen Abwehr fallengelassen, sind dies weitere Indizien für ein fahrlässiges Handeln.
Bearbeiter: RAin Uta Wichering
Online seit: 03.02.2010
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2120
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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