Rechtsprechung
KG Berlin, Beschluss vom 10.07.2009 - 9 W 119/08
Eigene oder fremde Informationen? - Zur (Störer-) Haftung des Betreibers einer Online-Bilddatenbank für Rechtsverletzungen durch von Dritten veröffentlichte Fotos.
TMG § 7 Abs. 1; BGB §§ 823 Abs. 1, 1004; KUG 22 f.; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
Leitsätze:*1. Die mit der Rechtsprechung "Internet-Versteigerung" des Bundesgerichtshofs (vgl.
BGH, Urteil vom 11.03.2004 - Az. I ZR 304/01, MIR 2005, Dok. 010 - Internet-Versteigerung;
BGH, Urteil vom 19.04.2007 - Az. I ZR 35/04, MIR 2007, Dok. 246 - Internet-Versteigerung II)
verbundenen Einschränkungen der Störerhaftung eines Diensteanbieters sind nur anwendbar, wenn es sich bei den veröffentlichten Inhalten (hier: Fotos)
um für den Diensteanbieter fremde Informationen im Sinne von § 10 Satz 1 TMG handelt.
2. Ursprünglich fremde Informationen können als "eigene" Informationen im Sinne von § 7 Abs. 1 TMG zu werten sein, wenn sich der
Diensteanbieter diese zu eigen gemacht hat. Insofern liegt ein Zueigenmachen vor, wenn sich der Diensteanbieter
mit den fremden Inhalten derart identifiziert, dass er die Verantwortung insgesamt oder für bewusst ausgewählte Teile davon übernimmt.
Entscheidende Kriterien sind hierbei die Art der Datenübernahme, ihr Zweck und die konkrete Präsentation der Inhalte durch den
Ãœbernehmenden, wobei es auf die Gesamtschau des jeweiligen Angebots aus der Perspektive eines objektiven Betrachters ankommt (m.w.N.).
Zu berücksichtigen sind sämtliche Umstände bis zum Löschen der betreffenden Inhalte.
3. Werden durch Dritte (Nutzer) generierte Inhalte (hier: Fotos) auf einer Internet-Plattform (hier: Internet-Fotoportal bzw. Bilddatenbank) erst nach
einem vorgeschalteten Auswahl- und Prüfungsverfahren veröffentlicht, wird bereits hierdurch nachhaltig der Eindruck erweckt, dass sich der Betreiber der
Internetplattform mit den veröffentlichten Inhalten selbst identifiziert. Dies gilt umso mehr, wenn der Hinweis auf die eigentlichen Urheber der Inhalte
lediglich sehr unauffällig und dezent erfolgt und die Aufmachung der betreffenden Internetseiten diesen Eindruck bestätigt.
4. Kommt die Haftung eines Diensteanbieters für fremde Informationen als Unterlassungsstörer in Betracht, hängt diese Haftung von der Verletzung von Prüfungspflichten ab. Für die
Intensität dieser Kontrollverpflichtung kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, wobei die betroffenen Rechtsgüter, der zu betreibende Aufwand und der zu erwartende Erfolg
abzuwägen sind und auch zu berücksichtigen ist, ob der als Störer in Anspruch genommene wirtschaftliche Vorteile aus seinen Diensten zieht
oder diese ohne Gewinnerzielungsabsicht erbracht werden
(BGH, Urteil vom 11.03.2004 - Az. I ZR 304/01, MIR 2005, Dok. 010 - Internet-Versteigerung).
5. An die dem Betreiber eines Fotoportals aufzuerlegenden Kontrollpflichten können insofern strenge Anforderungen zu stellen sein, wenn der Betreiber wirtschaftliche
Vorteile aus den angebotenen Diensten zieht. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Rechtsverletzung, etwa im Fall der Veröffentlichung von Porträtaufnahmen, ganz erhebliche
Auswirkungen für die Betroffenen haben und massive Persönlichkeitsverletzungen darstellen können. Es erscheint insoweit nicht unverhältnismäßig, das Einstellen von Porträtaufnahmen nur zuzulassen, wenn von dem jeweiligen Urheber ausdrücklich versichert wird, dass ein Einverständnis der abgebildeten Person vorliegt.
6. Zum Kostenerstattungsanspruch bei Abmahnungen wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts und des Rechts am eigenen Bild.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 09.10.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2046
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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