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Kurz notiert



Bundesgerichtshof

Zur Meinungsfreiheit bei kritischen Äußerungen über ein Unternehmen und dessen Vorstandsvorsitzenden - Bewertung im konkreten Äußerungszusammenhang maßgeblich.

BGH, Urteil vom 22.09.2009 – Az. VI ZR 19/08; Vorinstanzen: LG Hamburg Urteil vom 19.01.2007 - Az. 324 O 283/06; OLG Hamburg, Urteil vom 18.12.2007 - Az. 7 U 18/07

MIR 2009, Dok. 188, Rz. 1


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Kritische Äußerungen über ein Unternehmen und dessen Führungskräfte sind in Ansehung der betroffenen Grundrechte stets in dem konkreten Äußerungszusammenhang (hier: Fernsehinterview) zu bewerten. Besteht thematisch zudem ein großes Interesse der Öffentlichkeit, erweitert dies die Grenzen zulässiger Kritik. Dies geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.09.2009 (Az. VI ZR 19/08) hervor.

Zur Sache:

Am 28. Juli 2005 meldete die spätere Klägerin zu 1 - ein Großunternehmen - ihr Aufsichtsrat habe beschlossen, dass ihr Vortstandsvorsitzender - der spätere Kläger zu 2 - zum 31. Dezember 2005 aus dem Unternehmen ausscheide. Am selben Tag wurde in der Fernsehsendung "SWR-Landesschau" ein mit dem Sprecher eines Aktionärsverbandes - dem späteren Beklagten - geführtes Interview ausgestrahlt, in dem dieser sich folgendermaßen äußerte:

"Ich glaube nicht, dass der Rücktritt (des Klägers zu 2 als Vorsitzender des Vorstands der Klägerin zu 1) freiwillig war. Ich glaube, dass er dazu gedrängt und genötigt wurde. ... und das muss damit zusammenhängen, dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr S. geregelt hat."

Nachdem das Landgericht dem auf Untersagung dieser Äußerungen gerichteten Unterlassungsantrag der beiden Kläger stattgegeben hatte, wies das Oberlandesgericht die Berufung zurück.

Entscheidung des BGH: Äußerungen des Beklagten nach maßgeblicher Bewertung im Gesamtzusammenhang des Interviews von Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz gedeckt

Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision des Beklagten führte nun zur Klageabweisung.

Der BGH entschied, dass die Äußerungen des Beklagten nicht isoliert gesehen werden dürfen, sondern im Gesamtzusammenhang des Interviews zu bewerten sind. Als wertende Äußerungen unterlägen sie hiernach dem Schutzbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes.

Der erste Teil der inkriminierten Äußerung sei entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Werturteil einzustufen. Beim zweiten Teil handele es sich auch nicht um unzulässige Schmähkritik. Der Beklagte habe sich zu einem Sachthema von erheblichem öffentlichen Interesse geäußert wobei nicht die Herabsetzung der Person des Klägers zu 2 im Vordergrund gestanden habe. Bei der danach gebotenen Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz der Kläger und dem Grundrecht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung habe der Persönlichkeitsschutz der Kläger zurücktreten müssen.

Großes öffentliche Interesse erweitert die Grenzen zulässiger Kritik - Öffentliche Disskussion aktueller Ereignisse muss möglich sein

An der Bewertung der Geschäftstätigkeit des Vorstandsvorsitzenden eines Großunternehmens und dessen vorzeitigem Rücktritt bestehe ein großes öffentliches Interesse. Demgemäß müssen die Grenzen zulässiger Kritik gegenüber einem solchen Unternehmen und seinen Führungskräften weiter sein, so der BGH. Würde man solche Äußerungen am Tag des Ereignisses unterbinden, wäre eine öffentliche Diskussion aktueller Ereignisse von besonderem Öffentlichkeitswert in einer mit Art. 5 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Weise erschwert.

(tg) - Quelle: PM Nr. 191/2009 des BGH vom 22.09.2009


Online seit: 22.09.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2030
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