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Rechtsprechung



BGH, Urteil vom 22.04.2009 - I ZR 216/06

Internet-Videorecorder - Zur urheberrechtlichen Zulässigkeit von so genannten "internetbasierten Persönlichen Videorecordern" (PVR) - Shift.TV.

UrhG §§ 15, 16, 20, § 87 Abs. 1 Nr. 1 und 2

Leitsätze:*

1. Ein "internetbasierter Persönlicher Videorecorder" (PVR), der die wiederholbare Widergabe von Bild- oder Tonfolgen ermöglicht ist Bild- oder Tonträger nach der Legaldefinition des § 16 Abs. 2 UrhG. Das Aufzeichnen von (Fernseh-) Sendungen auf solchen Persönlichen Videorecordern greift in das ausschließliche Recht der betroffenen Sendeunternehmen ein, ihre Funksendungen auf Bild- und Tonträger aufzunehmen (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 UrhG) und damit zu vervielfältigen (§ 16 UrhG).

2. Für die Frage, wer Hersteller einer Vervielfältigung ist, kommt es zunächst allein auf die technische Betrachtung an.

3. Hersteller der Vervielfältigung einer Funksendung durch Aufnahme auf Bild- oder Tonträger (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 UrhG) ist allein derjenige, der die körperliche Festlegung der Funksendung technisch bewerkstelligt, selbst wenn er sich dabei technischer Hilfsmittel bedient, die Dritte zur Verfügung gestellt haben.

4. Fertigt der Hersteller Vervielfältigungen einer Funksendung im Auftrag eines Dritten für dessen privaten Gebrauch, ist die Herstellung der Vervielfältigungsstücke unter den Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG dem Auftraggeber als Vervielfältigungshandlung zuzurechnen (vgl. BGHZ 141, 13, 26 - Kopienversanddienst), wenn die Herstellung der Vervielfältigungstücke "unentgeltlich geschieht" (§ 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG), d.h. nicht wesentlicher Bestandteil eines auf Gewinnerzielung gerichteten Geschäftsmodells ist. Hierbei erfordert die Zurechnung eine - am Schutzzweck der Privilegierung des Privatgebrauchs nach § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG ausgerichtete - normative Betrachtung (vgl. BGHZ 134, 250, 260ff. - CB-Infobank I). Beschränkt sich der Hersteller insoweit darauf, "an die Stelle des Vervielfältigungsgeräts" zu treten und als "notwendiges Werkzeug" des anderen tätig zu werden, ist die Vervielfältigung dem Besteller zuzurechnen (vgl. BGHZ 141, 13, 26 - Kopienversanddienst). Erschließt der Hersteller indes eine urheberrechtlich relevante Nutzung in einem Ausmaß und einer Intensität, die sich mit den Erwägungen, die eine Privilegierung des Privatgebrauchs rechtfertigen, nicht mehr vereinbaren lässt, ist die Vervielfältigung dem Hersteller zuzuordnen (vgl. BGHZ 134, 250, 264f. - CB-Infobank I).

5. Eine Funksendung wird nicht öffentlich zugänglich gemacht (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2, § 15 Abs. 2 Nr. 2, § 19a UrhG), wenn jeweils nur eine einzelne Aufnahme einer Sendung auf Bild- oder Tonträger jeweils nur einer einzelnen Person zugänglich gemacht wird, selbst wenn diese einzelnen Personen in ihrer Gesamtheit eine Öffentlichkeit bilden.

6. Eine Funksendung wird weitergesendet (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1, § 20 UrhG), wenn der Sendende die Sendesignale sogleich an Empfänger weiterleitet, denen er eine Empfangsvorrichtung zur Verfügung gestellt hat und die in ihrer Gesamtheit eine Öffentlichkeit bilden.

7. Eine Weitersendung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 UrhG liegt auch dann vor, wenn die Weitersendung wegen der erforderlichen Aufbereitung des Sendesignals für die Weiterleitung im Internet nicht zeitgleich, sondern zeitversetzt erfolgt.

MIR 2009, Dok. 173


Anm. der Redaktion: Leitsätze 3., 5. und 6. sind die amtlichen Leitsätze des Gerichts.
Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 03.09.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2015

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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