Rechtsprechung
LG Mannheim, Urteil vom 12.05.2009 - 2 O 268/08
Hinweis auf Betrugsstrafbarkeit in Rechnungen - Der in einer Rechnung enthaltene Hinweis auf die Strafbarkeit wegen Betruges aufgrund falscher Altersangabe beim Vertragsschluss kann eine unangemessen unsachliche Beeinflussung der Kunden nach § 4 Nr. 1 UWG darstellen. Zur Endpreisangabe bei Dauerschuldverhältnissen und dem Erlöschen des Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 3 Nr. 2 BGB bei Internet-Dienstleistungen.
UWG § 4 Nr. 1 UWG; PAngVO § 1; BGB §§ 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, § 312d Abs. 3 Nr. 2, § 355
Leitsätze:*1. Am Maßstab des § 4 Nr. 1 UWG sind nicht nur Wettbewerbshandlungen zu messen, die (auch) den Zweck verfolgen, den Absatz
oder Bezug des Unternehmens zu fördern, sondern auch Handlungen vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, die objektiv mit
dem Abschluss oder der Durchführung eine Vertrages zusammenhängen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n.F.). Damit unterliegt auch die Rechnungsstellung
nach Vertragsschluss einer lauterkeitsrechtlichen Überprüfung nach § 4 Nr. 1 UWG.
2. Der in einer Rechnung enthaltene Hinweis auf die Strafbarkeit wegen Betruges aufgrund einer falschen Altersangabe im Rahmen des
Vertragsschlusses kann eine unangemessen unsachliche Beeinflussung auf die Entscheidungsfreiheit der Kunden (Verbraucher) nach § 4 Nr. 1 UWG
darstellen. Dies gilt insbesondere gegenüber Minderjährigen, da eine solche Androhung geeignet ist, Minderjährige zur Erfüllung
einer vertraglichen Leistungspflicht zu bewegen, die wegen der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages gar nicht besteht (§§ 106 ff. BGB).
Zudem stellt die Verknüpfung eines solchen Hinweises mit der Rechnungsstellung eine sachlich nicht gerechtfertigte Beeinflussung der
Entscheidung mancher Kunden darüber dar, ob die Rechnungsforderung beglichen wird und ist auch nicht durch ein berechtigtes Interesse
des Rechnungsstellers an der Verfolgung von gegen sein Vermögen gerichteten Straftaten zu erklären.
3. Bei einem Dauerschuldverhältnis ist der Preis einschließlich aller Preisbestandteile anzugeben, der auf einen Bemessungszeitraum der
Leistung entfällt, welcher üblich ist und sinnvolle Preisvergleiche ermöglicht (Endpreisangabe). Insoweit kann auch die Angabe eines Jahrespreises
ausreichen, wenn eine Mindestlaufzeit oder eine feste Laufzeit von mehreren Jahren (hier: zwei) vorliegt.
4. Eine Klausel, die den Verzicht auf ein gesetzliches Widerrufsrecht enthält, ist schon deswegen unwirksam, weil sie gegen die
gesetzliche und nach §§f 312f. BGB nicht dispositive Einräumung eines Widerrufsrechts i.S.v. § 355 BGB - hier: gemäß §§ 312d Abs. 1 BGB - verstößt.
Eine solche Klausel ist nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB als unangemessene benachteiligende Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam.
5. Bei Internet-Dienstleistungen, wie einem Angebot zum Download bestimmter Daten, stellt dessen Freischaltung noch nicht die Ausführung der
Dienstleistung im Sinne von § 312d Abs. 3 Nr. 2 BGB dar, sondern etwa erst der Download eines der Inhalte oder das erste Einloggen des Kunden
mittels der bei Freischaltung übersandten Zugangsdaten. Als Dienstleitung des Unternehmens im Sinne der Vorschrift genügt noch nicht die Schaffung
einer abstrakten Zugangsmöglichkeit zu Daten, sondern etwa erst deren Download, mit dem der Verbraucher auch den wirtschaftlichen Wert dieser Daten
erlangt, bestenfalls aber die konkrete Zugriffsvermittlung bei einem ersten Einloggen.
Die Erlöschensregel in § 312d Abs. 3 Nr. 2 BGB stellt ihrem Sinn und Zweck nach eine spezielle Ausprägung des Verbots eines venire contra factum
proprium dar. Es soll insbesondere der Gefahr begegnet werden, dass der Verbraucher sich den wirtschaftlichen Wert der Gegenleistung innerhalb
der Widerrufsfrist unwiederbringlich zuführt.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 10.07.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1991
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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