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Thomas Gramespacher
Es geht voran...?! - Kommentar zum Urteil des LG Berlin vom 26.07.2005 - 16 O 132/05
(vgl. dazu: MIR Dok. 001-2005, Rz. 1-14)
MIR 2005, Dok. 002, Rz. 1-8
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In seinem Urteil vom 26.07.2005 - 16 O 132/05 (= MIuR Dok. 001-2006, Rz. 1-14) nimmt das LG Berlin Stellung zur Problematik redaktionell eingebundener (Online-) Werbung. Das Gericht stellt heraus, dass das Internet als Medium zwar möglicherweise mehr Freiheit hinsichtlich Form und Gestaltung eingebundener Werbung biete, arbeitet aber andererseits das zumutbare Maß der Kenntlichmachung - welche nach allen möglichen Anstrengungen des Anbieters zu erfolgen habe - konsequent heraus.
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Dem Urteil ist im Ergebnis und der Begründung zuzustimmen.
Schaffen die neuen Medien und insbesondere auch das Internet auf der einen Seite Ihrer Art, Form und Gestaltung nach gegenüber den klassischen Medien überlegene und vielschichtigere Möglichkeiten, so darf diese "Grenzenlosigkeit" nicht zu einer "Unfassbarkeit von Kriterien" für Verantwortlichkeitsfragen führen.
Schaffen die neuen Medien und insbesondere auch das Internet auf der einen Seite Ihrer Art, Form und Gestaltung nach gegenüber den klassischen Medien überlegene und vielschichtigere Möglichkeiten, so darf diese "Grenzenlosigkeit" nicht zu einer "Unfassbarkeit von Kriterien" für Verantwortlichkeitsfragen führen.
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Auf diesen Konflikt geht besonders das Teledienstgesetz (TDG) ein, dass ein differenziertes - den jeweiligen Positionen und Verantwortungsbereichen der beteiligten Usern einerseits und den Diensteanbietern andererseits gerecht werdendes - Regelungswerk zur Verfügung stellt.
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So privilegiert das TDG Diensteanbieter z.B. im Fall fremder Inhalte weitreichend (vgl. u.a. §§ 8 II, 11 TDG), da nach dem Gesetz die Verantwortung an die "tatsächliche (technische) Herrschaft" Dritter über Informationen, deren Speicherung und Durchleitung angeknüpft und zudem - dem Sinn nach - auf eine Art Verursachungszusammenhangs abgestellt wird (vgl hierzu auch: Gramespacher, JurPC Web-Dok. 131/2005, Abs. 1 - 28.)
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Demgegenüber stellt das TDG mit § 7 TDG eindeutige Regelungen - besonders mit dem Hintergrund des (auch europarechtlich) besonders hervorzuhebenden Verbraucherschutzes - für (hier: kommerzielle) Internetangebote auf, da demjenigen, der Werbung einstellt und somit unmittelbar auf - beispielsweise durch das UWG geschützte - Interessen Dritter einwirkt beziehungsweise Gefahrenpotentiale für mögliche Rechts- oder Interessenverletzungen Dritter schafft, die Verantwortung zugewiesen sein soll. Nicht umsonst verweißt § 7 TDG darauf, dass die Vorschriften des UWG unberührt bleiben sollen.
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Das Urteil zeigt zudem, dass es die - bisweilen teils wohl für diese schwierige?! - Aufgabe der Gerichte ist, dass "Recht der neuen Medien" mit seinen vielschichtigen und schnelllebigen Ausprägungen, mit den zur Verfügung stehenden alten und auch mit den, durch den Gesetzgeber sukzessive angepassten, neuen und in der Anpassung befindlichen Vorschriften, sensibel und praxisgerecht anzuwenden und vorhandene Lücken durch eine "moderne", den Besonderheiten der neuen Medien gerecht werdende Auslegung zu schließen.
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Insbesondere bei Wertungs- und Zumutbarkeitsfragen müssen die Gerichte auch zukünftig den Mut aufweisen, die neuen Medien und Ihre (technischen, wie persönlichen) Eigenarten als solche zu begreifen und die besonderen Gegebenheiten bei der Urteilsfindung nicht in alte und daher sach- und letztlich gesetzesfremde Konstellationen zu fassen.
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Das LG Berlin hat hier eine straffe und konsequente Entscheidung getroffen, die dem gerecht wird - aber auch die steigende Zahl an höchstrichterlichen und instanzgerichtlichen Entscheidungen (vgl. dazu auch Hoffmann, NJW 2005, 2595ff, der auf die Zunahme der Rspr. des BGH und der Instanzgerichte im Bereich des Internetrechts verweißt.) im Bereich spezifischer Problematiken des Medien- und Informationsrechts, lassen wohl auf eine Entwicklung hoffen, die die richtige Richtung zeigt.
Online seit: 30.11.2005
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/188
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