Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 17.07.2008 - I ZR 168/05
Herabsetzung der Vertragsstrafe bei tausendfachem Verstoß gegen Unterlassungsverpflichtung - Steht eine vereinbarte Vertragsstrafe in einem außerordentlichen Missverhältnis zur Bedeutung der Zuwiderhandlung, ist ihre Herabsetzung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB geboten (Kinderwärmekissen).
BGB §§ 242, 339 Abs. 1 Satz 2, 343; HGB §§ 343, 348
Leitsätze:*1. Eine Mehrzahl von Verstößen gegen eine Unterlassungspflicht kann zwar zu einer natürlichen Handlung oder eine
Handlung im Rechtssinne zusammengefasst werden. Ob jeder einzelne Verstoß eine Vertragsstrafe auslöst und deshalb
eine Aufsummierung der Vertragsstrafen vorzunehmen ist oder ob mehrere Verstöße als eine einzige Zuwiderhandlung zu behandeln sind,
bestimmt sich aber entscheidend nach der Auslegung der Vertragsstrafenvereinbarung.
2. Eine Zusammenfassung mehrerer oder aller Verstöße zu einer einzigen Zuwiderhandlung gegen ein
Unterlassungsgebot nach den Grundsätzen der natürlichen Handlungseinheit oder einer Handlung
im Rechtssinne scheidet aus, wenn die Parteien eine Vertragsstrafe für jedes einzelne verkaufte Produkt vereinbart haben.
3. Steht eine vereinbarte Vertragsstrafe in einem außerordentlichen Missverhältnis zur Bedeutung
der Zuwiderhandlung, ist ihre Herabsetzung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB geboten,
auch wenn eine Verringerung der Vertragsstrafe wegen unverhältnismäßiger Höhe nach § 343 BGB gemäß § 348 HGB
ausgeschlossen ist. In diesem Fall ist die Vertragsstrafe nicht auf die nach § 343 BGB angemessene Höhe,
sondern nur auf das Maß zu reduzieren, das ein Eingreifen des Gerichts nach § 242 BGB noch nicht rechtfertigen würde.
4. Bei der Bemessung der Vertragsstrafe kommt es in erster Linie auf den Sanktionscharakter der Vertragsstrafe und deren Funktion,
weitere Zuwiderhandlungen zu verhüten, auf Schwere und Ausmaß der Zuwiderhandlung und ihre Gefährlichkeit für den Gläubiger,
auf das Verschulden des Verletzers und auf die Funktion der Vertragsstrafe als pauschalierten Schadensersatz an
(vgl. BGH, Urteil vom 30.09.1993 - Az. I ZR 54/91,WRP 1994, 37 - Vertragsstrafebemessung).
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 06.01.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1845
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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