Rechtsprechung
LG Berlin , Beschluss vom 11.09.2008 - 27 O 829/08
Übernahme nachteiliger Tatsachenbehauptungen aus Presseberichten - Zu den Sorgfaltspflichten des Einzelnen bei der Übernahme von Dritten nachteiligen Tatsachenbehauptungen aus unwidersprochenen Presseberichten in das eigene Internetangebot.
Art. 5 Abs. 1 GG
Leitsätze:*1. Eine unbewiesene Tatsachenbehauptung herabsetzenden Charakters wird nicht
deswegen zulässig, weil sie (teilweise vom Verletzten) unwidersprochen
aufgestellt worden ist. Es steht dem Verletzten frei, gegen einzelne
Schädiger vorzugehen und andere zu verschonen.
2. Erscheint eine, einen Dritten in seinen Rechten verletzende, Behauptung
zunächst unwidersprochen in der Presse oder anderen öffentlich zugänglichen
Quellen (Medien - hier: weiter verbreitete Tageszeitung) und übernimmt ein
(privater) Einzelner diese Behauptung in seinem Internetangebot, besteht
grundsätzlich kein Unterlassungsanspruch des Verletzten gegen den Einzelnen.
3. Der Presse obliegen besondere Sorgfaltspflichten bei der Verbreitung
nachteiliger Tatsachen, während dem Einzelnen jedenfalls bei Vorgängen
von öffentlichem Interesse (insbesondere Politik und Wirtschaft) eine
vergleichbare Sorgfalt nur abverlangt werden kann, soweit er
Tatsachenbehauptungen aus seinem eigenen Erfahrungs- und Kontrollbereich aufstellt.
Der Einzelne ist in der Regel auf die Berichterstattung durch die Medien als Quelle
angewiesen.
4. Würde man dem Einzelnen im Fall der Übernahme herabsetzender Tatsachen aus
Presseberichten - im guten Glauben - stets nachprüfbare Angaben abverlangen, so hätte
dies eine Lähmung der individuellen Meinungsfreiheit zur Folge. Eine Verurteilung
zur Unterlassung oder zum Widerruf kommt daher erst dann in Betracht, wenn
die Berichterstattung erkennbar überholt oder widerrufen ist.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 26.12.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1838
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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