Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 17.07.2008 - I ZR 219/05
Clone-CD - Das (hier: private) Angebot eines Programms zur Vervielfältigung kopiergeschützter CDs auf einer Internetplattform wie eBay stellt einen, einen abmahnfähigen, Verstoß gegen § 95a Abs. 3 UrhG dar.
UrhG § 95a Abs. 3; BGB §§ 670, 677, 683 Satz 1, §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1
Leitsätze:*1. Bei der Bestimmung des § 95a Abs. 3 UrhG handelt es sich um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB zugunsten
der Inhaber von Urheberrechten und Leistungsschutzrechten, die wirksame technische Maßnahmen zum Schutz ihrer urheberrechtlich
geschützten Werke und Leistungen einsetzen.
2. In entsprechender Anwendung des § 1004 Abs. 1 BGB kann die Unterlassung objektiv rechtswidriger Eingriffe auch in
geschützte Rechtsgüter im Sinne des § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB verlangt werden. Derjenige, der gegen ein den Schutz eines anderen
bezweckendes Gesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB verstößt, ist dem anderen entsprechend § 1004 Abs. 1 BGB zur
Unterlassung verpflichtet. Ist nach dem Inhalt des betreffenden Gesetzes ein Verstoß auch ohne Verschulden möglich, so tritt die
Unterlassungspflicht - anders als die Ersatzpflicht (§ 823 Abs. 2 Satz 2 BGB) - auch ohne Verschulden des Verletzers ein.
3. Der Schutz der Rechteinhaber (hier: Tonträgerhersteller) ist eine nicht nur unbeabsichtigte Nebenfolge der Regelung von § 95a UrhG,
sondern der eigentliche Sinn und Zweck dieser Bestimmung.
4. Technische Maßnahmen i.S.v. § 95a UrhG sind unter anderem Technologien, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, Handlungen zu
verhindern, die nach dem Urheberrechtsgesetz geschützte Schutzgegenstände betreffen und die vom Rechtsinhaber nicht genehmigt sind
(§ 95a Abs. 2 Satz 1 UrhG). Wirksam sind diese Maßnahmen unter anderem, soweit der Rechtsinhaber durch sie die Nutzung eines
nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Schutzgegenstands durch einen Mechanismus zur Kontrolle der Vervielfältigung, die
die Erreichung des Schutzziels sicherstellt, unter Kontrolle hält (§ 95a Abs. 2 Satz 2 UrhG).
5. Der Begriff der Werbung im Hinblick auf den Verkauf im Sinne des § 95a Abs. 3 UrhG umfasst jegliche Äußerung mit dem Ziel,
den Absatz der in dieser Regelung näher bezeichneten Umgehungsmittel zu fördern. Er ist nicht auf ein Handeln zu gewerblichen
Zwecken beschränkt und erfasst auch das private und einmalige Verkaufsangebot.
6. Ein Verstoß gegen § 95a Abs. 3 UrhG setzt kein Verschulden des Verletzers voraus.
7. Der Verstoß gegen § 95a Abs. 3 UrhG begründet die tatsächliche Vermutung für seine Wiederholung (vgl. zum Wettbewerbsrecht:
BGH, Urteil vom 16.01.1992 - Az. I ZR 84/90, WRP 1992, 314 - Jubiläumsverkauf; BGH, Urteil vom 26.10.2000 - Az. I ZR 180/98,
WRP 2001, 400 - TCM-Zentrum). Die durch einen bereits begangenen Verstoß begründete tatsächliche Vermutung für das Vorliegen
einer Wiederholungsgefahr kann regelmäßig nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden
(vgl. BGHZ 136, 380, 390 - Spielbankaffaire; BGH GRUR 1992, 318, 319 f. - Jubiläumsverkauf; BGH GRUR 2001, 453, 455 - TCM-Zentrum).
8. Der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten gemäß §§ 677, 683 Satz 1, § 670 BGB setzt voraus, dass die Abmahnung dem Interesse und
dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Abgemahnten entsprach. Diese Voraussetzung ist regelmäßig erfüllt, wenn der
Abmahnende den Abgemahnten wegen dessen Rechtsverstoßes auch gerichtlich hätte auf Unterlassung in Anspruch nehmen können.
Denn der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten beruht auf der Erwägung, dass die berechtigte Abmahnung dem Schuldner zum Vorteil
gereicht, weil der Gläubiger, der zunächst abmahnt, statt sofort Klage zu erheben oder einen Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung zu stellen, dem Schuldner damit die Möglichkeit gibt, eine gerichtliche Auseinandersetzung auf
kostengünstigere Weise durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abzuwenden (BGH, Urteil vom 01.06.2006 - Az.
I ZR 167/03, WRP 2007, 67 - Telefax-Werbung II =
MIR 2006, Dok. 238).
9. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach auch Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung grundsätzlich einen Rechtsanwalt
mit der Abmahnung von Wettbewerbsverstößen beauftragten dürfen und daher auch berechtigt sind, von dem Abgemahnten den Ersatz
der für die Abmahnung entstandenen Anwaltkosten zu verlangen (BGH, Urteil vom 08.05.2008 - Az. I ZR 83/06 - Abmahnkostenersatz =
MIR 2008, Dok. 235) gilt für die
Abmahnung von Urheberrechtsverstößen entsprechend.
10. Allein aus dem Umstand, dass es sich bei einer Abmahntätigkeit um eine umfangreiche handelt,
ergibt sich noch nicht, dass die Einschaltung eines Rechtsanwalts für ein Unternehmen nicht erforderlich ist bzw.
erforderlich erscheinen darf, da es sich um Serienabmahnungen handelt, die eine mit Hilfe von Textbausteinen einfach zu
bewältigende Routinearbeit darstellen (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2002, 122f).
Die Einschaltung eines Rechtsanwalts kann gerade im Hinblick auf die große Zahl von zu verfolgenden
Rechtsverletzungen erforderlich erscheinen (vgl. OLG Hamm, MMR 2001, 611, 612). Dies gilt umso mehr, wenn die
Verfolgung von (Urheber-) Rechtsverstößen nicht zu den originären Aufgaben eines Unternehmens gehört,
gleichwohl es eine eigene Rechtsabteilung unterhält. Insbesondere ist ein Unternehmen nicht gehalten, die Mitarbeiter
seiner Rechtsabteilung mit der Bearbeitung einer Vielzahl von Abmahnungen zu betrauen, nur um den Verletzern die
Kosten der Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts zu ersparen (OLG Karlsruhe WRP 1996, 591, 593). Dies gilt jedenfalls soweit keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es für das abmahnende Unternehmen weniger Aufwand erfordert hätte, die Abmahnungen abzufassen und die Unterwerfungserklärungen vorzubereiten, als einen Rechtsanwalt zu informieren und zu instruieren ( BGH, Urteil vom 08.05.2008 - Az. I ZR 83/06 - Abmahnkostenersatz =
MIR 2008, Dok. 235).
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 16.09.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1749
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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