Kurz notiert
Bundesgerichtshof
Lion, KIT KAT & Nuts: Sammelaktion für Schoko-Riegel nicht wettbewerbswidrig - Nicht jede gezielte Beeinflussung von Minderjährigen ist wettbewerbswidrig. Auf die Transparenz und Überschaubarkeit kommt es an.
BGH, Urteil vom 17.07.2008 - Az. I ZR 160/05 – N-Screens; Vorinstanzen: OLG Frankfurt, Urteil vom 4.08.2005 – Az. 6 U 224/04; LG Frankfurt, Urteil vom 14.10.2004 – Az. 2/03 O 35/04
MIR 2008, Dok. 220, Rz. 1
1
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte am 17.07.2008 über die
Zulässigkeit einer Sammelaktion zu entscheiden, die sich auch an Kinder und Jugendliche richtete.
Zur Sache
Die Nestlé AG hatte für ihre Schoko-Riegel (z.B. "Lion", "KIT KAT" und "NUTS") eine Sammelaktion durchgeführt, bei der auf der Verpackung jeweils ein Sammelpunkt (sog. "N-Screen") aufgedruckt war. 25 Sammelpunkte konnten gegen einen Gutschein im Wert von 5 EUR für einen Einkauf bei dem Internet-Versandhändler amazon.de eingelöst werden. Der Kläger, der Bundesverband der Verbraucherzentralen, hatte Nestlé auf Unterlassung in Anspruch genommen. Er hat die Auffassung vertreten, die Aktion sei wettbewerbswidrig, weil sie die Sammelbegeisterung von Kindern und Jugendlichen ausnutze und so eine rationale Kaufentscheidung bei ihnen verdrängen könne.
Während das Landgericht der Klage stattgegeben hatte, hatte das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. die Klage abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat diese Entscheidung bestätigt.
Entscheidung des BGH: Nicht jede gezielte Beeinflussung von Minderjährigen ist wettbewerbswidrig - Gleichwohl: Die Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen ist wettbewerbswidrig!
Zwar sind Werbeaktionen, mit denen die geschäftliche Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen ausgenutzt wird, im Hinblick auf die besondere Schutzbedürftigkeit jugendlicher Verbraucher wettbewerbswidrig (vgl. § 4 Nr. 2 UWG). Der Bundesgerichtshof hat jedoch klargestellt, dass nicht jede gezielte Beeinflussung von Minderjährigen wettbewerbswidrig ist. Auch sei nicht jede an Minderjährige gerichtete Sammel- und Treueaktion unzulässig. Abzustellen sei auch bei besonders schutzbedürftigen Zielgruppen auf den durchschnittlich informierten und aufmerksamen Verbraucher dieser Gruppe.
Maßgeblich: Überschaubarkeit der wirtschaftlichen Folgen und Transparenz der Teilnahmebedingungen auch für Minderjährige
Die wirtschaftlichen Folgen einer Beteiligung an der beanstandeten Sammelaktion konnten – so der Bundesgerichtshof – auch von Minderjährigen hinreichend überblickt werden. Es handele sich um ein Produkt, über das auch Minderjährige ausreichende Marktkenntnisse hätten. Die Riegel seien während der Werbeaktion zu ihrem üblichen Preis von ca. 40 Cent verkauft worden; die Teilnahme an der Sammelaktion habe sich im Übrigen im Rahmen des regelmäßig verfügbaren Taschengelds Minderjähriger gehalten. Die Teilnahmebedingungen seien auch für Minderjährige transparent gestaltet gewesen.
Die Rechtslage nach der EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken spielte bei der Entscheidung noch keine maßgebliche Rolle.
(tg) - Quelle: PM des BGH Nr. 141/2008 vom 18.07.2008
Zur Sache
Die Nestlé AG hatte für ihre Schoko-Riegel (z.B. "Lion", "KIT KAT" und "NUTS") eine Sammelaktion durchgeführt, bei der auf der Verpackung jeweils ein Sammelpunkt (sog. "N-Screen") aufgedruckt war. 25 Sammelpunkte konnten gegen einen Gutschein im Wert von 5 EUR für einen Einkauf bei dem Internet-Versandhändler amazon.de eingelöst werden. Der Kläger, der Bundesverband der Verbraucherzentralen, hatte Nestlé auf Unterlassung in Anspruch genommen. Er hat die Auffassung vertreten, die Aktion sei wettbewerbswidrig, weil sie die Sammelbegeisterung von Kindern und Jugendlichen ausnutze und so eine rationale Kaufentscheidung bei ihnen verdrängen könne.
Während das Landgericht der Klage stattgegeben hatte, hatte das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. die Klage abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat diese Entscheidung bestätigt.
Entscheidung des BGH: Nicht jede gezielte Beeinflussung von Minderjährigen ist wettbewerbswidrig - Gleichwohl: Die Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen ist wettbewerbswidrig!
Zwar sind Werbeaktionen, mit denen die geschäftliche Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen ausgenutzt wird, im Hinblick auf die besondere Schutzbedürftigkeit jugendlicher Verbraucher wettbewerbswidrig (vgl. § 4 Nr. 2 UWG). Der Bundesgerichtshof hat jedoch klargestellt, dass nicht jede gezielte Beeinflussung von Minderjährigen wettbewerbswidrig ist. Auch sei nicht jede an Minderjährige gerichtete Sammel- und Treueaktion unzulässig. Abzustellen sei auch bei besonders schutzbedürftigen Zielgruppen auf den durchschnittlich informierten und aufmerksamen Verbraucher dieser Gruppe.
Maßgeblich: Überschaubarkeit der wirtschaftlichen Folgen und Transparenz der Teilnahmebedingungen auch für Minderjährige
Die wirtschaftlichen Folgen einer Beteiligung an der beanstandeten Sammelaktion konnten – so der Bundesgerichtshof – auch von Minderjährigen hinreichend überblickt werden. Es handele sich um ein Produkt, über das auch Minderjährige ausreichende Marktkenntnisse hätten. Die Riegel seien während der Werbeaktion zu ihrem üblichen Preis von ca. 40 Cent verkauft worden; die Teilnahme an der Sammelaktion habe sich im Übrigen im Rahmen des regelmäßig verfügbaren Taschengelds Minderjähriger gehalten. Die Teilnahmebedingungen seien auch für Minderjährige transparent gestaltet gewesen.
Die Rechtslage nach der EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken spielte bei der Entscheidung noch keine maßgebliche Rolle.
(tg) - Quelle: PM des BGH Nr. 141/2008 vom 18.07.2008
Online seit: 18.07.2008
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