Rechtsprechung
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 06.03.2008 - 6 U 85/07
Preisangaben im Internethandel - Zu den Anforderungen an die Angaben über Liefer- und Versandkosten sowie den Umsatzsteuerhinweis und zur wettbewerbsrechtlichen Relevanz fehlerhafter Preisangaben im Internethandel. Zur Frage, ob fehlerhafte AGB-Klauseln einen Wettbewerbsverstoß darstellen.
UWG §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 12 Abs. 1 Satz 2; PAngV § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 6; Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken
Leitsätze:*1. Bei gewerblichen Angeboten zum Abschluss von Fernabsatzverträgen gegenüber Letztverbrauchern ist nach
§ 1 Abs. 2 Nr. 1 PAngV zusätzlich zu § 1 Abs. 1 PAngV anzugeben, dass die geforderten Preise die Umsatzsteuer enthalten.
2. Im Internethandel kann es genügen, wenn die durch § 1 Abs. 2 PAngV geforderten Angaben alsbald sowie
leicht erkennbar und gut wahrnehmbar auf einer gesonderten Internetseite gemacht werden (§ 1 Abs. 6 PAngV). Erforderlich
ist allerdings, dass eine solche Seite vor Einleitung des Bestellvorgangs notwendig aufgerufen werden muss
(BGH, Urteil vom 04.10.2007 - Az. I ZR 143/04 = MIR 2008, Dok. 145 - Versandkosten).
Informationen in lediglich über allgemeine Links erreichbaren Rubriken genügen regelmäßig nicht. Denn der Kaufinteressent ruft
erfahrungsgemäß nur solche Seiten auf, die er zur Information über die Ware benötigt oder zu denen er durch einfache Links
oder durch klare unmissverständliche Hinweise auf dem Weg zum Vertragsschluss geführt wird ("thematische Verknüpfung").
Dies ist bei einem Menüpunkt wie "Allgemeine Geschäftsbedingungen" oder "Service" nicht der Fall (BGH a.a.O.).
3. Gleiches gilt im Internethandel grundsätzlich für die Angabe der Liefer- und Versandkosten.
4. Die Vorschriften der Preisangabenverordnung sind dazu bestimmt, dass Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer im
Sinne von § 4 Nr. 11 UWG zu regeln (BGH, Urteil vom 15.01.2004 - Az. I ZR 180/01 - Frühlingsgefühle). Sie sollen durch
eine sachlich zutreffende und vollständige Information der Verbraucher die Preiswahrheit und Preisklarheit gewährleisten und
durch optimale Preisvergleichsmöglichkeiten die Stellung der Verbraucher gegenüber den Unternehmern stärken
(st. Rspr., vgl. nur: BGH, Urteil vom 03.06.2003 - Az. I ZR 211/01 - Telefonischer Auskunftsdienst).
5. Die Verletzung einer Marktverhaltensregelung im Sine des § 4 Nr. 11 UWG begründet nicht notwendig einen nicht nur unerheblichen
Nachteil für die von der Norm geschützten Marktteilnehmer. Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall gegeben ist,
hängt vielmehr von der konkreten Auswirkung des Rechtsverstoßes ab (KG Berlin, Urteil von 13.02.2007 - 5 W 35/07).
Bei Verstößen gegen die Preisangabenverordnung ist ein nicht nur unerheblicher Nachteil in diesem Sinne anzunehmen, wenn der
Verbraucher durch eine Preisangabe irregeführt oder die Möglichkeit des Preisvergleichs erheblich erschwert wird (BGH, Urteil
vom 05.07.2001 - Az. I ZR 104/99 - Flugfernpreise).
6. Dies gilt für die fehlende Angabe der Umsatzsteuer im Internethandel grundsätzlich nicht, da es für den Verbraucher eine
Selbstverständlichkeit darstellt, dass dort angegebene Preise die Umsatzsteuer enthalten. Der Hinweis nach
§ 1 Abs. 2 Nr. 1 PAngV hat deshalb eher die Funktion der Klarstellung. Die Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung von
Verbraucherinteressen besteht nicht.
7. Rechtswidrige Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB - hier: fehlerhafte Widerrufsbelehrung und sonstige Fehler)
können eine Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG zur Folge haben. Denn auch aus solchen Verstößen zieht der Unternehmer möglicherweise
dann einen geschäftlichen Vorteil, wenn der Verbraucher nach Abschluss des Vertrages wegen einer unzureichenden Belehrung in
Unkenntnis der Rechtslage etwa von der Ausübung des ihm gesetzlich zustehenden Widerrufsrechts oder von der Ausübung sonstiger
in Wahrheit bestehender - in den AGB-Klauseln jedoch ausgeschlossener - Rechte abgehalten wird (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom
09.05.2007 - 6 W 61/07 = MIR 2007, Dok. 232).
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Regelung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken.
Denn danach findet das Lauterkeitsrecht im Verhältnis zwischen Unternehmern und Verbrauchern grundsätzlich auf alle
Wettbewerbshandlungen Anwendung, die vor, während oder nach Vertragsschluss vorgenommen werden.
8. Ein Unternehmen, das eine eigene Rechtsabteilung - auch mit mehreren im Wettbewerbsrecht erfahrenen Juristen - unterhält,
ist nicht gehalten, dieser anstelle eines Anwalts die Ahndung von Rechtsverstößen zu übertragen. Denn Aufgabe einer
Rechtsabteilung ist es in erster Linie, das Wettbewerbsverhalten des eigenen Unternehmens zu prüfen und dieses zu beraten
(vgl. OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 02.02.2006 - Az. 6 U 98/05).
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 13.06.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1646
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