Rechtsprechung
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 22.01.2008 - 6 W 10/08
Haftung des Access-Providers - Der Access-Provider ist für rechtswidrige Inhalte auf Webseiten zu denen er seinen Kunden über den bereitgestellten Internetanschluss den Zugang vermittelt, - auch nach den Grundsätzen der wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht - grundsätzlich nicht verantwortlich.
UWG §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 3, § 4 Nr. 11; StGB §§ 184, 184a
Leitsätze:*1. Ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch gegen den Access-Provider scheitert bereits daran, dass der
Access-Provider als bloßer Vermittler des Zugangs zum Internet für die Wettbewerbsverstöße
(hier: § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 184, 184 a StGB sowie den Vorschriften des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages),
die auf irgendwelchen Webseiten begangen worden sind, wettbewerbsrechtlich nicht verantwortlich gemacht werden kann.
Der Access-Provider hat auf den Inhalt der Webseiten, zu denen er seinen Kunden den Zugang vermittelt grundsätzlich
keinerlei Einfluss.
2. Die Grundsätze über die Verkehrspflichten des Betreibers einer Internet-Auktionsplattform
(vgl. BGH Urteil vom 12.7.2007, I ZR 18/04 - Jugendgefährdende Schriften bei eBay = MIR 2007, Dok. 325) können auf den
Access-Provider nicht übertragen werden. Anknüpfungspunkt für die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht
ist der Umstand, dass das handelnde Unternehmen im eigenen geschäftlichen Interesse in seinem Verantwortungsbereich
selbst eine Gefahrenquelle für Wettbewerbsverstöße durch Dritte schafft. (BGH a.a.O.). Während diese
Voraussetzung etwa beim Betrieb einer Internet-Auktionsplattform gegeben sein kann, ist bereits die Ausgangssituation
im Fall des Access-Providers in der Regel nicht vergleichbar, da dieser seinen Kunden lediglich gegen Entgelt
den Zugang zum Internet vermittelt.
3. Der Access-Provider eröffnet grundsätzlich nicht in seinem eigenen Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle
für Wettbewerbsverstöße, sondern ermöglicht nur den Zugang zu etwaigen Wettbewerbsverstößen, die aus einer
von einem Dritten eröffneten Gefahrenquelle herrühren. Eine Ausweitung der Grundsätze über die wettbewerbsrechtliche
Verkehrspflicht auch auf eine solche Form der "Mitverursachung" von Wettbewerbsverstößen würde
die Haftung für das wettbewerbswidrige Verhalten anderer überspannen.
4. Eine vollständige Sperrung von Webseiten mit rechtswidrigen (wettbewerbswidrigen) Inhalten ist dem Access-Provider
zudem grundsätzlich nicht zumutbar. Dies gilt umso mehr, wenn es sich auf den fraglichen Webseiten um bedeutende
Webangebote handelt (hier: Inernetsuchmaschiene "google").
Bearbeiter: Ass. iur. Thomas Gramespacher
Online seit: 24.01.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1491
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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