Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 12.07.2007 - I ZR 82/05
Tony Taler - Eine unangemessene unsachliche Einflussnahme auf die Entscheidungsfreiheit von Eltern und Erziehungsberechtigten kann darin liegen, dass Kinder und Jugendliche im Rahmen einer den Gruppenzwang ausnutzenden Werbeaktion gezielt als Kaufmotivatoren eingesetzt werden.
UWG §§ 3, 4 Nr. 1, 8 Abs. 1 und 3
Leitsätze:*1. Eine Werbung für Produkte, die üblicherweise von Erwachsenen erworben werden, ist nicht
deswegen unlauter nach §§ 3, 4 Nr. 1 UWG, weil sie bei Kindern und Jugendlichen Kaufwünsche
weckt und darauf abzielt, dass diese ihre Eltern zu einer entsprechenden Kaufentscheidung veranlassen.
2. Dagegen kann eine unangemessene unsachliche Einflussnahme auf die Entscheidungsfreiheit der
Eltern und Erziehungsberechtigten darin liegen, dass Kinder und Jugendliche im Rahmen einer den
Gruppenzwang innerhalb einer Schulklasse ausnutzenden Werbeaktion gezielt als so genannte
Kaufmotivatoren eingesetzt werden.
3. Werbemaßnahmen, die an Kinder und Jugendliche gerichtet sind und darauf abzielen, dass sich die
umworbenen Kinder und Jugendlichen an ihre Eltern wenden, damit diese ein bestimmtes Produkt erwerben,
sind an § 4 Nr. 1 UWG zu messen, weil es in solchen Fällen um die Willensentschließungsfreiheit
der Eltern als potentielle Käufer geht. Maßgeblich ist, ob der Einsatz der Kinder und Jugendlichen
zur Beeinflussung ihrer Eltern bei deren Kaufentscheidung unlauter ist.
4. In diesen sog. "Motivationsfällen" wird die Kaufentscheidung regelmäßig von den Erwachsenen getroffen.
Bei diesen kommt eine Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfreiheit allerdings nur ausnahmsweise in Betracht.
Daher kommt es für die Frage der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit einer Werbeaktion darauf an,
ob die Erwachsenen (Eltern/Erziehungsberechtigten) bei ihrer Kaufentscheidung durch den Einsatz der Kinder
und Jugendlichen als Kaufmotivatoren einer unangemessenen unsachlichen Einflussnahme ausgesetzt sind.
Die Schwelle zur Unlauterkeit der Einflussnahme wird dabei erst überschritten, wenn der auf den Erwachsenen
ausgeübte Druck ein solches Ausmaß erreicht, dass er in seiner freien Willensentschließung wesentlich
beeinträchtigt wird (vgl. zur Kopplung: BGH GRUR 2006, 161- Zeitschrift mit Sonnenbrille; zur Laienwerbung:
BGH, Urteil vom 6.7.2006 - I ZR 145/03 - Kunden werben Kunden; zum Sponsoring: BGH GRUR 2007, 247 - Regenwaldprojekt I).
Bearbeiter: Thomas Gramespacher
Online seit: 04.01.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1465
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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