MIR-Newsletter

Der MIR-Newsletter informiert Sie regelmäßig über neue Inhalte in MEDIEN INTERNET und RECHT!

Schließen Abonnieren
MIR-Logo mobil

Logo MEDIEN INTERNET und RECHT
Logo MEDIEN INTERNET und RECHT

Rechtsprechung



OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29.10.2007 - 1 W 232/07-49

Störerhaftung - Urheberrechtlicher Schutz vor einer unberechtigten Verbreitung eines Gedichts in einem Internetportal - Entfernung nach 22 Tagen kann noch "unverzüglich" sein

UrhG § 97 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2; TMG § 10 Nr. 2

Leitsätze:*

1. Eine präventive Kontrollpflicht des Diensteanbieters (hier: Internetportalbetreiber) kommt nicht in Betracht. Erst nach Kenntniserlangung eines Verstoßes muss dieser "unverzüglich tätig" werden, "um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren" (vgl. § 10 Nr. 2 TMG). Zwar finden die Haftungsprivilegien der §§ 10 TMG keine unmittelbare Anwendung auf den urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch. Zur Begründung einer die Störereigenschaft begründenden Garantenstellung ist nach Kenntnis einer rechtwidrigen Handlung ist allerdings die § 10 Nr. 2 TMG normierte Pflicht zu unverzüglichem Handeln heranzuziehen (vgl. nur BGH GRUR 2004, 860, 684 - Internet I). Hier ist die Unverzüglichkeit wiederum im Sinne eines Verschuldens zu verstehen, so dass Zumutbarkeitsfragen eine Rolle spielen. Geht es etwa um die Verletzung nicht hochrangiger Rechtsgüter, kann der Anbieter grundsätzlich zunächst den Nutzer (Verletzer) zur Stellungnahme und Entfernung des inkriminierten Inhaltes auffordern.

2. Fordert ein Diensteanbieter (hier: Internetportalbetreiber) einen Nutzer am Tag nach der Kenntniserlangung eines von dem Nutzer eingestellten Inhaltes, welcher Rechte Dritter beeinträchtigt (hier: Urheberrechte an einem Gedicht), zur Entfernung auf und wiederholt er diese Aufforderung nach acht Tagen, um dann letztendlich nach insgesamt 22 Tagen selbst die Entfernung vorzunehmen, so kann die Entfernung der beanstandeten Information noch unverzüglich und damit pflichtgemäß im Sinne der Störerhaftung sein.

3. Bei der Konkretisierung der Verhaltensanforderung - in Anlehnung an § 10 Nr. 2 TMG - sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (hier: Es handelte sich um eine äußerst geringfügige Urheberrechtsverletzung, da das Gedicht durch jugendliche Nutzer in deren individuell erstellten Profilen jenseits jeglicher Kommerzialisierung eingestellt wurde; vergleichbar mit "Poesiealben" oder "Freundschaftsbüchern" früherer Zeiten. Zudem stellte die Antragstellerin das Gedicht kopierbar auf ihre Internetseite ein. Schließlich war hinsichtlich der Unverzüglichkeit zu berücksichtigen, dass nicht jeder private Nutzer regelmäßig seinen E-Mail-Eingang kontrolliert und so schon aus diesem Grunde eine Benachrichtigung naheliegend einige Zeit in Anspruch nehmen würde).

4. Abmahnkosten sind nur dann gemäß § 683 BGB unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag erstattungsfähig, wenn berechtigterweise abgemahnt wurde, wobei zur Beurteilung auf die Sach- und Rechtslage bei Zugang der entsprechenden Schriftsätze abzustellen ist.

MIR 2007, Dok. 428


Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: Thomas Gramespacher
Online seit: 12.12.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1453

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
dejure.org StellenmarktAnzeige