Rechtsprechung
KG Berlin, Urteil vom 11.09.2007 - 5 W 85/06
"In voller Länge und/oder in Teilen" - Eine Abmahnung wegen Verwendung eines mehrseitigen Textes gibt dem Verletzer regelmäßig nur Anlass zur Abgabe einer auf die konkret gerügte Verletzungsform (hier: den mehrseitigen Text in voller Länge) beschränkten Unterlassungserklärung.
UrhG § 97; UWG § 12 Abs. 1 Satz 1; ZPO § 93
Leitsätze:*1. Eine auf die Verletzung von Urheberrechten gestützte Abmahnung wegen
Verwendung eines mehrseitigen Textes "in voller Länge und/oder in Teilen"
gibt dem Verletzer regelmäßig nur Anlass zur Abgabe einer auf die konkret
gerügte Verletzungsform (hier: den mehrseitigen Text in voller Länge) beschränkten
Unterlassungserklärung, wenn sich die Abmahnung zu den einzelnen "Teilen"
(insbesondere ihrer Schutzfähigkeit) nicht näher verhält.
2. Urheberrechtlicher Schutz für Werkteile ist nur begründet, soweit auch die einzelnen Teile
des Werkes ihrerseits eine hinreichende Schöpfungshöhe aufweisen.
3. Besteht die konkrete Verletzungshandlung in der Verwendung eines mehrseitigen Textes in seiner
Gesamtheit, geht die Untersagung der Verwendung nur einzelner Teile dieses Textes grundsätzlich
über die konkrete Verletzungsform hinaus und stellt eine Verallgemeinerung dar. Eine solche
Verallgemeinerung ist im Interesse eines umfassenden Rechtsschutzes zwar grundsätzlich zulässig; geht die Verallgemeinerung aber über das materiell-rechtlich Begründete hinaus, ist es schon nicht
Sache des Gerichtes, diese Verallgemeinerung auf das noch Begründete zurückzuführen; es bleibt
dann allenfalls ein Verbot der konkreten Verletzungsform (BGH, GRUR 1998, 489, 492 - Unbestimmter
Unterlassungsantrag III; GRUR 2002, 187, 188 - Lieferstörung).
Es ist grundsätzlich auch nicht Sache des Verletzten, eine pauschale und materiell-rechtlich zu weite
Verallgemeinerung von sich aus auf den noch eben zulässigen und begründeten
Umfang (hier: möglicherweise schutzfähige Textteile) einzuschränken, jedenfalls wenn dieser nicht ohne weiteres erkennbar ist.
4. Eine Abmahnung wird nicht deshalb wirkungslos, weil der Gläubiger darin mehr gefordert hat,
als ihm zusteht (OLG Köln, WRP 1988, 56; OLG Hamburg, WRP 1977, 808). Denn die Verpflichtung
des Schuldners, aufgrund der Abmahnung die zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr erforderliche
- gegebenenfalls eingeschränkte - Unterlassungserklärung zu finden und abzugeben, betrifft grundsätzlich
nur die konkrete Verletzungsform in ihren - unter Umständen verschiedenen - rechtlich
angreifbaren und angegriffenen Aspekten und - allenfalls - voneinander abgrenzbare und leicht
überschaubare Verallgemeinerungen.
5. Nicht genannte weitere oder abweichende Verletzungsformen werden von einer Abmahnung nicht
erfasst; sie erfordern eine weitere Abmahnung (OLG Koblenz, GRUR 1981, 671, 674; OLG Stuttgart,
WRP 1982, 492).
6. Angesichts der jeweils eigenständig materiell-rechtlich zu prüfenden Schöpfungshöhe von
bloßen Textteilen wird auch die Verwendung solcher Textteile in der Regel nicht vom
Kernbereich der konkreten Verletzungsform (dem Charakteristischen) mit umfasst, soweit
nicht nur - offensichtlich unerhebliche - Textteile entfernt worden sind.
Bearbeiter: Thomas Gramespacher
Online seit: 27.09.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1380
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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