Rechtsprechung
LG Krefeld, Urteil vom 14.09.2007 - 1 S 32/07
"Fliegender Gerichtsstand" - Für die Begründung der örtlichen Zuständigkeit bei Rechtsverletzungen (Internetseite) im Internet ist darauf abzustellen, ob sich die Verletzungshandlung im Bezirk des angerufenen Gerichts bestimmungsgemäß auswirken sollte.
ZPO § 32
Leitsätze:*1. Es ist zu weitgehend, anzunehmen, der örtliche Gerichtsstand sei bei Verstößen im
Internet dort, wo das Medium bestimmungsgemäß abrufbar ist und damit grundsätzlich
überall. Einer uferlosen Ausdehnung des sog. "fliegenden Gerichtsstandes" im Internet
ist vielmehr im Hinblick auf das Willkürverbot durch einschränkende Kriterien Einhalt zu geben.
2. Allerdings ist es nicht ausreichend, im Hinblick auf das Willkürverbot darauf abzustellen,
wo sich die behauptete unerlaubte Handlung in dem konkreten Verhältnis der Prozessparteien
ausgewirkt hat. Insbesondere kann von dem Betroffenen (Kläger) nicht der Vortrag gefordert
werden, dass ein Dritter die streitbefangenen Umstände auch tatsächlich zur Kenntnis genommen und, hierdurch veranlasst, in einer sich den Geschädigten (Kläger) auswirkenden Weise reagiert hat. Denn
eine solche Sichtweise lässt außer Betracht, dass eine Verletzungshandlung im Internet ihren "Erfolg"
nicht bloß durch Kenntnisnahme durch den Betroffenen selbst, sondern durch die Kenntnisnahme durch jeden
bestimmungsgemäßen Empfänger erreicht.
3. Dementsprechend ist es nicht angezeigt, für die Fälle einer durch das Internet begangenen unerlaubten Handlung, bei
denen der Geschädigte eine konkrete Kenntnisnahme durch einen Dritten und eine entsprechende
schädigende Reaktion nicht nachweisen kann, nur noch entweder den Gerichtsstand am Wohnort (Sitz) des jeweiligen
Schädigers (weil davon auszugehen ist, dass dort etwa die beanstandete Äußerung in das Internet eingestellt worden ist)
oder den Wohnort (Sitz) des Klägers (da dort etwa die Äußerungen durch den Geschädigten abgerufen werden konnten) anzunehmen.
4. Für die Begründung der örtlichen Zuständigkeit bei Rechtsverletzungen im Internet ist es im Hinblick
auf das Willkürverbot ausreichend, aber auch erforderlich, darauf abzustellen, ob
sich die Verletzungshandlung, das heißt die Internetseite mit rechtsverletzenden Inhalt, im
Bezirk des angerufenen Gerichts im konkreten Fall bestimmungsgemäß auswirken sollte (vgl. für den Fall eines
Wettbewerbsdelikts: OLG Bremen, EwiR 2000, 651 sowie Danckwert, GRUR 2007, 104ff). Es kommt darauf an,
den Wirkungskreis nach objektiven Kriterien anhand Darstellung und Inhalt der einzelnen Internetseite zu bestimmen.
Dass es hierbei auch zu einer Vervielfältigung der Gerichtsstände kommen kann, ist vertretbar, weil dem Schädiger
das erhöhte Gefahrenpotential durch Nutzung des Mediums Internet bekannt ist und er sich letztlich auch dessen Vorteil
zunutze macht. Jedenfalls reicht allein die technische Abrufbarkeit einer Internetseite, die eine Rechtsverletzung
enthält, zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit nicht aus.
Vgl. zur Problematik weiter: LG Mosbach, Beschluss vom 28.06.2007 - Az. 1 T 22/07 = MIR 2007, Dok. 286 sowie AG Luckenwalde, Beschluss vom 16.04.2007 - Az. 12 C 19/07 = MIR 2007, Dok. 163
Bearbeiter: Thomas Gramespacher
Online seit: 26.09.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1378
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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