Rechtsprechung
LG Frankfurt a.M., Urteil vom 22.02.2007 - 2-03 O 771/06
Störerhaftung des Internet-Anschlussinhabers - Allein das Ausschalten des PC stellt keine wirksame - eine Störerhaftung ausschließende - Schutzmaßnahme des Internet-Anschlussinhabers gegen Rechtsverletzungen dar, die Dritte über dessen WLan-Internet-Verbindung begehen.
BGB § 1004; UrhG §§ 10 Abs. 2, 85 Abs. 1, 97 Abs. 1 Satz 1
Leitsätze:*1. Unter Anwendung der Grundsätze über die zivilrechtliche Störerhaftung haftet derjenige als (Mit-) Störer,
wer es Dritten aufgrund einer ungeschützten WLan-Verbindung ermöglicht, seinen Internetzugang zu nutzen
und Rechtsverletzung zu begehen, dann ist dies adäquat kausal für die betreffenden Rechtsverletzungen
(hier: Schutzrechtsverletzung). Adäquat ist eine Bedingung dann, wenn das Ereignis im Allgemeinen und
nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge
außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der fraglichen Art herbeizuführen
(BGH NJW 2005, 1420 (1421) m.w.N.).
2. Rechtsverletzungen über das Internet durch das Herunterladen und
öffentliche Zugänglichmachen insbesondere urheberrechtlich, geschmacksmusterrechtlich und
markenrechtlich geschützter Leistungen haben allgemein zugenommen. Darunter fallen auch die
Aneignung und das Bereitstellen von Musikaufnahmen im Internet über Peer-to-Peer-Dienste und
mit Hilfe von Filesharing-Software, verharmlosend "Tauschbörsen" genannt. Jedenfalls seit dem
Auftreten der Filesharing-Software "Napster" im Herbst 1999 ist ein derartiges auch nicht mehr ungewöhnlich,
sondern wird gerade von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen vielfältig in Anspruch genommen.
Weiter ist allgemein bekannt, dass ungeschützte WLan-Verbindungen von Dritten missbraucht werden können,
um über einen fremden Internetanschluss ins Internet zu gelangen. Die Verwendung einer ungeschützten WLan-Verbindung
für den Zugang ins Internet birgt danach die keinesfalls unwahrscheinliche Möglichkeit, dass von - unbekannten - Dritten,
die die ungeschützte Verbindung nutzen, solche Rechtsverletzungen begangen werden.
Die löst Prüfungs- und ggf. Handlungspflichten aus, um der Möglichkeit der Rechtsverletzung vorzubeugen
(vgl. Urteil LG Hamburg vom 26.07.2006 - Az. 308 O 407/06 =
MIR 2006, Dok. 191).
3. Der Internet-Anschlussinhaber ist regelmäßig rechtlich wie tatsächlich in die Lage versetzt, wirksame Maßnahmen
zur Verhinderung von Rechtsverletzung zu treffen. Es obliegt ihm, sich zu informieren, welche Möglichkeiten
für Rechtsverletzungen er schafft und wie er solchen Verletzungen hätten vorbeugen können. Zudem kann er
technische Möglichkeiten in Anspruch nehmen, um Rechtsverletzungen zu verhindern. So kann er etwa unter Abänderung
des mitgelieferten Standardpasswortes einen persönlichen Password-Schutz einrichten und den Router während seiner
Abwesenheit ausschalten. Möglich ist auch die Verschlüsselung der Kommunikation zwischen Router und PC.
4. Allein das Ausschalten des PC (hier: während einer Urlaubsabwesenheit) stellt keine wirksame - eine Störerhaftung
ausschließende - Schutzmaßnahme des Internet-Anschlussinhabers gegen (Schutzrechts-) Rechtsverletzungen dar, die Dritte über dessen
WLan-Internet-Verbindung begehen.
5. Die Durchführung (technischer) Schutzmaßnahmen ist dem Internet-Anschlussinhaber zumutbar. Dies gilt auch für den
Fall, dass der Anschlussinhaber selbst nicht in der Lage sein sollte, sie einzurichten und sich dazu entgeltlicher
fachkundiger Hilfe bedienen muss. Auch ein dadurch bedingter Geldaufwand ist noch verhältnismäßig.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 22.07.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1301
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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