Rechtsprechung
LG München I, Urteil vom 14.06.2007 - 7 O 6699/06
"Hugo v. Hofmannsthal gegen Richard Strauss" - Die Auslegung von Verträgen über die Einräumung urheberrechtlicher Nutzungsrechte kann ergeben, dass die Pflicht des einen Teils zur Erlösbeteiligung des Urhebers oder dessen Rechtsnachfolger nicht mit Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist endet.
BGB §§ 133, 157, UrhG § 64
Leitsätze:*1. Verträge sind gem. §§ 133, 157 BGB – alle Verträge wurden nach Inkrafttreten des BGB geschlossen -
so auszulegen, wie es Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern.
Hierbei sind in erster Linie der von den Parteien gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende
objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen. Es gilt der Grundsatz der beiderseits interessengerechten
Auslegung, wobei in der Regel auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist.
Für die Richtigkeit und Vollständigkeit einer Vertragsurkunde spricht insoweit eine Vermutung.
Aber auch eine Auslegung entgegen einem an sich eindeutigen Wortlaut ist nicht ausgeschlossen,
wobei allerdings die Darlegungs- und Beweislast für Umstände, aus denen sich ergeben könnte,
dass die Parteien mit der Formulierung ihrer Vereinbarung einen vom klaren Wortlaut abweichenden
Sinn verbunden haben, bei dem liegt, der sich darauf beruft. Dabei können auch Umstände
außerhalb der Urkunde zu berücksichtigen sein (BGH GRUR 2002, 532, 535 ff. – Unikatrahmen
mwN; BGH Urteil vom 14.12.2006 – I ZR 34/04, S. 10 f. - Archivfotos =
MIR 2007, Dok. 230).
2. Die Auslegung von Verträgen über die Einräumung urheberrechtlicher Nutzungsrechte kann ergeben,
dass die Pflicht des einen Teils, dem Urheber oder dessen Rechtsnachfolger an den erzielten Erlösen aus der Verwertung der
vertragsgegenständlichen, urheberrechtlich geschützten Werke (Erlösbeteiligung - hier: an acht Opern von Hugo v. Hofmannsthal)
nicht mit Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist (vgl. dazu § 64 UrhG) endet, sondern fortbesteht.
3. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich aus den Verträgen ausdrücklich ergibt, dass die urheberrechtliche Schutzfähigkeit
der betreffenden Werke nicht zur Voraussatzung einer Zahlungspflicht gemacht wurde, sondern eine
Erlösbeteiligung vielmehr auch gerade für den (für möglich erachteten) Fall vorgesehen wurde, dass
das Werk etwa in einem Land nicht urheberrechtlich geschützt ist.
4. Dem Auskunftsverlangen zur Vorbereitung der Durchsetzung einer bereits verjährten
Forderung kann in den Fällen, in denen die Verjährungsfrist für den Auskunftsanspruch länger ist als
für den Hauptanspruch, der Einwand des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses entgegengehalten werden.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 25.06.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1267
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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