Rechtsprechung
EuG, Urteil vom 16.05.2007 - T-491/04
FOCUS v.s. MICRO FOCUS - Die Unterschiede zwischen der Bildmarke Micro Focus und der Wortmarke Focus reichen nicht aus, um die Gefahr von Verwechslungen bei den maßgeblichen Verkehrskreisen auszuschließen.
Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 40/94
Leitsätze:*1. Zwei Marken sind ähnlich, wenn sie aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise hinsichtlich
eines oder mehrerer relevanter Aspekte mindestens teilweise übereinstimmen
(EuG Urteil vom 23. Oktober 2002 - Az. T 6/01, Slg. 2002, II 4335, Randnr. 30 - Matratzen Concord/HABM – Hukla Germany MATRATZEN,
EuG Urteil vom 26. Januar 2006, Az. T 317/03, Randnr. 46 - Volkswagen/HABM – Nacional Motor Variant).
2. Eine Verwechslungsgefahr liegt dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass
die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen
oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen.
3. Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit
zweier Marken nach Bild, Klang oder Bedeutung ist auf den Gesamteindruck
abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die kennzeichnungskräftigen und
dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der
Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher
dieser Waren oder Dienstleistungen wirkt. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke
regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (vgl. EuGH vom 6. Oktober 2005,
Medion, C 120/04, Slg. 2005, I 8551, Randnr. 28).
Bei der Prüfung des Vorliegens einer Verwechslungsgefahr läuft die Beurteilung der Ähnlichkeit zweier
Marken nicht darauf hinaus, dass nur ein Bestandteil einer zusammengesetzten Marke zu berücksichtigen
und mit einer anderen Marke zu vergleichen wäre. Vielmehr sind die betreffenden Marken jeweils
als Ganzes miteinander zu vergleichen, was nicht ausschließt, dass unter Umständen ein oder
mehrere Bestandteile einer zusammengesetzten Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der
maßgeblichen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein könnten (EuGH a.a.O).
4. Eine zusammengesetzte Marke und eine andere Marke, die mit einem der Bestandteile der zusammengesetzten
Marke identisch oder diesem ähnlich ist, können nur dann als ähnlich angesehen werden, wenn dieser
Bestandteil das dominierende Element in dem von der zusammengesetzten Marke hervorgerufenen Gesamteindruck
ist. Das ist dann der Fall, wenn dieser Bestandteil allein schon geeignet ist, das Bild dieser Marke, das die
angesprochenen Verkehrskreise im Gedächtnis behalten, so zu prägen, dass alle übrigen Bestandteile der
Marke in dem durch diese hervorgerufenen Gesamteindruck zu vernachlässigen sind (EuG a.a.O - Matratzen, Randnr. 33 sowie
EuG, Urteil vom 4. Mai 2005, Az. T 359/02, Slg. 2005, II 1515, Randnr. 44 - Chum/HABM – Star TV STAR TV).
5. Das Publikum wird einen beschreibenden Bestandteil einer zusammengesetzten Marke (hier: MICRO) im Allgemeinen nicht als
kennzeichnungskräftiges und dominierendes Merkmal des Gesamteindrucks dieser Marke ansehen
(EuG, Urteil vom 3. Juli 2003, Az. T 129/01, Slg. 2003, II 2251, Randnr. 53 - Alejandro/HABM – Anheuser-Busch BUDMEN
und EuG, Urteil vom 6. Oktober 2004, Az. 7/03 bis T 119/03 und T 171/03, Slg. 2004, II 3471, Randnr. 34 -
New Look/HABM – Naulover NLSPORT, NLJEANS, NLACTIVE und NLCollection).
Jedoch bedeutet die geringe Kennzeichnungskraft eines Elements einer zusammengesetzten Marke nicht zwangsläufig,
dass es nicht ein dominierendes Element sein kann, da es sich insbesondere durch seine Position im Zeichen oder
seine Größe der Wahrnehmung des Verbrauchers aufdrängen und in sein Gedächtnis einprägen kann
(EuG, Urteil vom 13. Juni 2006, Az. T 153/03, Slg. 2006, II 1677, Randnr. 32, Inex/HABM – Wiseman
Darstellung einer Kuhhaut).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 10.06.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1249
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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