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BGH, Beschluss vom 21.12.2006 - I ZB 17/06
Zugang des Abmahnschreibens - Den Beklagten, der im Wettbewerbsprozess auf die Klageerhebung eine Unterlassungserklärung abgibt und geltend macht, ihm sei die Abmahnung nicht zugegangen, trifft grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für eine Kostenentscheidung nach § 93 ZPO.
ZPO § 93
Leitsätze:*1. Den Beklagten, der im Wettbewerbsprozess auf die Klageerhebung hin eine strafbewehrte
Unterlassungserklärung abgegeben hat und geltend macht, ihm sei die Abmahnung des
Klägers nicht zugegangen, trifft grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die
Voraussetzungen einer dem Kläger die Prozesskosten auferlegenden Entscheidung nach § 93 ZPO.
Im Rahmen der sekundären Darlegungslast ist der Kläger lediglich gehalten, substantiiert
darzulegen, dass das Abmahnschreiben abgesandt worden ist. Kann nicht festgestellt werden,
ob das Abmahnschreiben dem Beklagten zugegangen ist oder nicht, ist für eine Kostenentscheidung
nach § 93 ZPO kein Raum.
2. Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits
zu tragen; dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Beklagte aufgrund eines Anerkenntnisses
in der Hauptsache unterliegt. Hiervon macht § 93 ZPO eine Ausnahme zugunsten des Beklagten,
wenn dieser keine Veranlassung zur Klage gegeben und den geltend gemachten Anspruch sofort
anerkannt hat. In diesem Fall sind dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen,
obwohl er in der Hauptsache obsiegt hat. Ist nach einem sofortigen Anerkenntnis des Beklagten
streitig, ob er Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat, so trifft ihn die Beweislast
für die fehlende Klageveranlassung. Denn nach den allgemeinen Beweislastregeln muss diejenige
Partei, die sich auf einen Ausnahmetatbestand zu ihren Gunsten beruft (hier: § 93 ZPO) dessen
Tatbestandsvoraussetzungen darlegen und gegebenenfalls beweisen.
3. Bei der Ausgestaltung der danach einen Beklagten ggf. treffenden Darlegungs- und Beweislast ist
allerdings zu berücksichtigen, ob es sich bei dem vom Beklagten darzulegenden und zu beweisenden
Umstand um eine negative Tatsache handelt (hier: kein Zugang des Abmahnschreibens). Dies führt
indes nicht zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast, sondern allenfalls zu einer
sekundären Darlegungslast des Klägers. Der Beklagte kann sich zunächst auf die schlichte
Behauptung der negativen Tatsache (hier: das Abmahnschreiben sei ihm nicht zugegangen) beschränken.
Nach dem auch im Prozessrecht gültigen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist der Kläger dann
ausnahmsweise verpflichtet, dem einfachen Bestreiten mit eigenem qualifizierten Vortrag entgegenzutreten.
Dies findet seine Rechtfertigung darin, dass der Kläger die für einen substantiierten Vortrag
notwendigen Informationen im Allgemeinen besitzt oder sich diese jedenfalls leichter beschaffen
kann als die darlegungspflichtige Partei. Im Anschluss daran muss jedoch die darlegungspflichtige
Partei ihren Vortrag konkretisieren und detailliert – gegebenenfalls unter Beweisantritt – auf das
Bestreiten der Gegenpartei eingehen. Eine weitergehende Verpflichtung des Klägers (hier: bezogen auf ein
Abmahnschreiben etwa dahingehend, eine besondere Versendungsform mit Zugangsnachweis zu wählen) kann
aufgrund einer sekundären Darlegungslast aber nicht begründet werden.
4. Der Beklagte/Abgemahnte wird durch eine solche Darlegungs- und Beweislast auch nicht unzumutbar belastet.
Er hat die Möglichkeit, die Tatsache, aus der sich ergibt, dass er keinen Anlass zur Klage gegeben
hat (hier: Der Umstand, dass ihm kein Abmahnschreiben zugegangen ist) durch Benennung von Zeugen
unter Beweis zu stellen. Gelingt dem Beklagten dieser Beweis (§ 286 ZPO), ist grundsätzlich Raum für
eine Kostenentscheidung zu seinen Gunsten (§ 93 ZPO). Denn das Risiko, dass ein abgesandtes
Abmahnschreiben auf dem Postweg verlorengegangen ist, trägt grundsätzlich der Kläger.
An den Nachweis der negativen Tatsache dürfen auch keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden, da
ein Missbrauch sowohl auf Seiten des jeweilig Beklagten als auch auf Seiten des Klägers nicht auszuschließen ist.
Zudem kann der Kläger das Risiko, dass dem Beklagten der
Nachweis des fehlenden Zugangs eines vorprozessualen Abmahnschreibens gelingt, dadurch verringern,
dass er eine besondere Versandform – beispielsweise Einschreiben mit Rückschein – wählt oder in
Eilfällen das Abmahnschreiben mit einfacher Post und parallel dazu noch per Telefax und/oder E-Mail
übermittelt. Steht nämlich fest, dass die Abmahnung als Brief, als Telefax und als E-Mail abgesandt worden ist,
erscheint das Bestreiten des Zugangs von vornherein in einem wenig glaubhaften Licht (§ 286 ZPO).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 04.06.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1241
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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