Rechtsprechung
Hanseatisches OLG, Urteil vom 24.01.2007 - 5 U 204/05
"Der beste Preis der Stadt" - Auch dem mit einer Spitzenstellungsbehauptung Werbenden sind gewisse Darlegungen abzuverlangen, auf welche Umstände er diese Behauptung gründet, bevor die volle Darlegungs- und Beweislast nach den allgemeinen Regeln auf den Prozessgegner übergeht.
UWG § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3
Leitsätze:*1. Stellt ein Werbender die Behauptung auf, für ein bestimmtes Produkt
"Den besten Preis der Stadt" (hier: für ein Mobiltelefon mit Laufzeitvertrag) anbieten
zu können, mithin bezogen auf das Produkt die Spitzenposition in dem in Bezug
genommenen Umfeld (hier: Hamburg) einzunehmen,
so gehen die angesprochenen Verkehrskreise davon aus, dass eine derartige
Behauptung nicht leichtfertig ohne tatsächliche Grundlage aufgestellt wird.
2. Die angesprochenen Verkehrskreise gehen im Fall einer Werbung mit einer
Spitzenstellungsbehauptung vielmehr davon aus, dass sich der Werbende vor der Veröffentlichung der Werbung
einen entsprechenden Marktüberblick in dem von ihm in Bezug genommenen Umfeld verschafft
und hierdurch überhaupt erst die tatsächliche Grundlage für die Richtigkeit seiner Werbebehauptung
ermittelt hat. Der Verkehr erwartet in jedem Fall, dass sich der Werbende
zumindest über die Preisgestaltung des fraglichen Produkts bei seinen Hauptkonkurrenten
sowie denjenigen Anbietern in dem relevanten Einzugsgebiet informiert hat, die in der
Vergangenheit in der Regel die günstigsten Preise angeboten haben. Denn andernfalls könnte und
dürfte ein Unternehmen eine derart umfassende Spitzenstellungsberühmung in lauterer Weise nicht
für sich in Anspruch nehmen. Ist eine solche Marktbeobachtung nicht geschehen, so stellt
sich die Werbebehauptung schon deshalb als unwahr und irreführend dar, weil sie "ins Blaue
hinein" aufgestellt worden ist, von den angesprochenen Verkehrskreisen jedoch ernst genommen
wird und ernst genommen werden soll.
3. Zwar bleibt es auch im Fall der Werbung mit einer Spizenstellungsbehauptung dabei, dass der
angreifende Wettbewerber diejenigen Tatsachen darlegen und beweisen muss, aus denen sich die Unrichtigkeit
der Werbebehauptung ergibt. Dementsprechend kann eine derartige Situation nicht – wie die Werbung
mit der Unternehmensgröße – eine vollständige Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast im Sinne einer Aufklärungspflicht
des Werbenden rechtfertigen. Gleichwohl obliegt es einem werbenden Unternehmen, das für ein konkretes
Produkt mit dem Attribut des "besten" Preises der Stadt wirbt, zumindest in groben Zügen darzulegen, auf
welche konkreten Marktkenntnisse es seine Spitzenstellung gründet. Hierzu wird es im Regelfall zwar keiner
detaillierten Darlegungen bedürfen. Erforderlich ist aber, dass der Werbende überhaupt irgendwelche Angaben macht,
auf Grund welcher konkreten Umstände er sich zumindest subjektiv für berechtigt hält, mit
einer Spitzenstellungsbehauptung zu werben. Kommt er dem nicht nach, ist es für den angreifenden
Wettbewerber letztlich nicht zumutbar, ohne irgendwelchen, derartigen Anhaltspunkte zu der
Tatsachengrundlage der Werbebehauptung zunächst etwa selbst eine allumfassende Marktanalyse vorzunehmen, bevor
er sich wettbewerbsrechtlich eine derartige (irreführende) Spitzenstellungsbehauptung wenden kann.
4. Dementsprechend sind auch dem mit einer Spitzenstellungsbehauptung unter Bezugnahme auf
sein geschäftliches Umfeld Werbenden gewisse Darlegungen abzuverlangen, bevor die volle Darlegungs- und
Beweislast nach den allgemeinen Regeln auf den Prozessgegner übergeht.
5. Die Zulässigkeit einer Spitzen- oder Alleinstellungsbehauptung setzt wegen der andernfalls
bestehenden Gefahr einer Irreführung des Publikums voraus, dass die Werbebehauptung nicht nur
wahr ist, sondern der Werbende einen deutlichen Vorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern in
allen in Betracht kommenden Beziehungen vorzuweisen hat und der Vorsprung die Aussicht auf eine
gewisse Stetigkeit bietet (BGH GRUR 2003, 800, 802 – Schachcomputerkatalog; BGH WRP 2002, 74, 77 –
Das Beste jeden Morgen; BGH WRP 1991, 717 – Spielzeug-Autorennbahn; BGH WRP 96, 729 – Der
meistverkaufte Europas; BGH WRP 198, 861 – Die große deutsche Tages- und Wirtschaftszeitung;
BGH GRUR 1985, 140, 141 – Größtes Teppichhaus der Welt).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 03.06.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1239
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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