Rechtsprechung
Hanseatisches OLG, Urteil vom 07.03.2007 - 5 U 75/06
"Surfen ohne Zeitlimit" - Enthält eine Werbung mehrere Äußerungen, so ist eine isolierte Betrachtung einer einzelnen Angabe nur dann zulässig und geboten, wenn sie vom Verkehr ohne Zusammenhang mit den übrigen wahrgenommen und verwendet wird.
UWG §§ 3, 4 Nr. 4, 5 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2
Leitsätze:*1. Enthält eine Werbung mehrere Äußerungen, so ist eine isolierte Betrachtung einer
einzelnen Angabe nur dann zulässig und geboten, wenn sie vom Verkehr ohne Zusammenhang
mit den übrigen wahrgenommen und verwendet wird (BGH GRUR 2005 438, 440 – Epson-Tinte).
Das kann auch der Fall sein, wenn sich einzelne Angaben in einer einheitlichen Werbeschrift
(z.B. einem Werbekatalog) befinden, aber weder sachlich noch äußerlich erkennbar miteinander
verbunden sind (BGH GRUR 2005, 438, 440 – Epson-Tinte; BGH GRUR 2004, 162, 163 – Mindestverzinsung;
BGH GRUR 2003, 800, 803 - Schachcomputerkatalog). Stehen einzelne Angaben hingegen in
einer in sich geschlossenen Darstellung, so dürfen sie nicht aus ihrem Zusammenhang
gerissen werden (BGH WRP 2005, 886, 887 – Internet-Versandhandel; BGH GRUR 2005, 438, 441 –
Epson-Tinte; BGH GRUR 1996, 367, 368 – Umweltfreundliches Bauen; BGH GRUR 1968, 382, 385 – Favorit II).
Ihre Beurteilung erfordert vielmehr eine Gesamtbetrachtung (BGH GRUR 2003, 800, 803 – Schachcomputerkatalog).
Ob mehrere Angaben innerhalb einer Werbeschrift oder einer sonstigen (äußerlich einheitlichen)
Werbedarstellung selbst bei einer gewissen räumlichen Trennung
(z.B. Abdruck auf verschiedenen Seiten eines umfangreichen Katalogs) gleichwohl, beispielsweise
wegen eines inhaltlichen Bezugs oder wegen eines ausdrücklichen Verweises, als
zusammengehörig aufgefasst werden oder nicht, richtet sich nach den Umständen des
jeweiligen Einzelfalls (BGH WRP 2005, 886, 887 – Internet-Versandhandel; BGH GRUR 2005, 438, 441 – Epson-Tinte).
2. Dies gilt auch dann, wenn eine einzelne Angabe optisch herausgestellt und farblich hervorgehoben ist
(hier: ein Kästchen mit einer beispielhaften Preisberechnung). Denn dieser Umstand allein hebt
eine Werbeaussage noch nicht in wettbewerbsrechtlich maßgeblicher Weise von den übrigen Elementen einer
- mehrere Aussagen enthaltenden Werbeanzeige - und dem einheitlichen Äußerungszusammenhang ab.
Dies gilt umso mehr, als andere Elemente der betreffenden Werbeanzeige, in ähnlicher Weise hervorgehoben
sind. Denn dann ist die, für eine Blickfangwerbung charakteristische Situation, in der bestimmte (positive)
Werbeangaben deutlich von dem übrigen (einschränkenden) Rest einer Werbeanzeige abgehoben werden und damit geeignet
und bestimmt sind, die besondere Aufmerksamkeit des Lesers auf sich zu fokussieren, nicht gegeben.
3. Enthält eine Werbeanzeige eine "Beispielrechnung", die erkennbar eine Nutzungssituation voraussetzt,
die sich ergibt, wenn der Kunde sich im Rahmen der Leistungsmerkmale und Nutzungsbeschränkungen
des konkret angebotenen Produkts (hier: Internet-Volumen-Tarif) bewegt, stellt sich dies jedenfalls dann
nicht als wettbewerbswidrig unzulässig dar, wenn in unmittelbarer Nähe und deutlich erkennbar
zugleich darauf hingewiesen wird, dass und in welcher Höhe zusätzliche Kosten bei Überschreitung
der enthaltenden Leistungen (hier: Traffic-Kosten) anfallen.
4. Die Annahme, auf Grund einer Überschrift "Surfen ohne Zeitlimit" mache sich der Verkehr über
etwaige (anderweitige; hier: volumenabhängige) Limits überhaupt keine Gedanken und gehe von einer
in jeder Hinsicht uneingeschränkten
Nutzungsmöglichkeit aus, ist erfahrungswidrig. Denn die angesprochenen Verkehrskreise verstehen
eine bestimmte Werbeaussage entsprechend deren Wortsinn. Die Begriffe "Zeit" und "Limit" sind
aber in der deutschen Umgangssprache mit eindeutigen Bedeutungsgehalten belegt, sodass es den Verkehrskreisen nicht
verborgen bleibt, dass hiermit nur die zeitliche – und nicht auch sonstige – Beschränkung angesprochen ist.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 03.06.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1237
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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