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Rechtsprechung



LG Hamburg, Urteil vom 19.02.2007 - Az. 308 O 32/07

Ein Usenet-Provider kann als Störer für die Eingriffe Dritter in urheberrechtlich geschützte Verwertungsrechte und auf Unterlassung haften, wenn er diese offensichtlich bewirbt und die Zugangsvermittlung zum Usenet unter Vernachlässigung von Prüfungspflichten anbietet.

BGB §§ 823, 1004; UrhG § 97 Abs. 1; § 11 TDG 2001; TMG § 10; Richtlinie 2000/31/EG (Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr) Art. 12

Leitsätze:*

1. Ein Usenet-Provider kann dann als Störer gem. §§ 823, 1004 BGB analog, § 97 Abs. 1 UrhG für die widerrechtlichen Eingriffe Dritter in urheberrechtlich geschützte Verwertungsrechte und auf Unterlassung haften, wenn er die Zugangsvermittlung zum so genannten Usenet (hier: für das Herunterladen illegaler Kopien von Musikstücken) unter Vernachlässigung von Prüfungspflichten anbietet.

2. Der Umfang bestehender Prüfungspflichten bestimmt sich unter Berücksichtigung der Funktion und Aufgabenstellung des in Anspruch Genommenen sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung des unmittelbar Handelnden.

3. Ein Usenet-Provider hat hinreichend effiziente Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass nach Kenntniserlangung erneut entsprechende urheberechtlich geschützte Werke aus dem Usenet heruntergeladen werden können. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, so wirkt er damit in einer eine Störerhaftung begründendenden Art und Weise an den von den Nutzern begangenen Rechtsverletzungen mit.

4. Der Unterlassungsanspruch wegen urheberrechtlicher Verletzungshandlungen wird nicht von der Haftungsprivilegierung des § 11 TDG 2001 a.F (jetzt: § 10 TMG) erfasst. Die Störerhaftung greift jedenfalls dann, wenn nicht nur ein geeignetes Medium für die Verletzungshandlung zur Verfügung gestellt wird, sondern zusätzlich ein Bewerben des Mediums gegenüber der Öffentlichkeit zu (auch) urheberrechtswidrigen Zwecken stattfindet.

5. Wer als Usenet-Provider eine Anpreisung von rechtswidrigen Möglichkeiten herausstellt, führt damit selbst die Gefahr einer Rechtsverletzung herbei. In diesen Fällen scheidet eine Anwendung der einschränkenden Grundsätze der Störerhaftung aus.

6. Bei Unterlassungsansprüchen scheidet eine Berufung auf die in Art. 12 der Richtlinie 2000/31/EG (Durchleitung von Informationen) formulierten Haftungsprivilegien aufgrund der Regelung des Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31/EG aus.

MIR 2007, Dok. 157


Anm. der Redaktion: Der Antragsgegner, ein Usenet-Provider, warb im vorliegenden Fall unter anderem öffentlich mit folgenden Aussagen für seinen Dienst: "Sie möchten Zugang zu Videos, MP3s, Software, Games oder Erotikinhalten, wollen in Foren über Ihre Lieblingsthemen diskutieren und quälen sich immer noch mit Tauschbörsen wie BitTorrent oder eDonkey herum? [..]" "Das Usenet wurde bereits vor dem Internet entwickelt und setzt sich aus über 60.000 Diskussionsforen (Newsgroups) zu jedem erdenklichen Thema zusammen, in denen Meinungen und Dateien (z.B. Videos, MP3s, Software, Games oder Erotikinhalte) getauscht werden Es gibt hier nichts, was es nicht gibt. .. ! [..]" " X bietet Ihnen einen anonymen und unzensierten Zugang ins Usenet. und damit Zugriff auf Forenbeiträge, Videos, MP3s, Software, Games oder Erotikinhalte in ungeahnter Dimension.[..]"

Artikel 12 Abs. 3 Richtlinie 2000/31/EG lautet wie folgt:
"Dieser Artikel läßt die Möglichkeit unberührt, daß ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter verlangt, Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern."

Ein besonderer Dank für die Mitteilung der Entscheidung gilt Herrn RA Sascha Kremer, Mönchengladbach (www.kremer-legal.com).
Download: Entscheidungsvolltext PDF


Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 24.04.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/659

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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