Rechtsprechung
KG Berlin, Urteil vom 26.01.2007 - Az. 9 U 251/06
Vererblichkeit des Gegendarstellungsanspruchs - Der Gegendarstellungsanspruch erlischt durch den Tod des vormaligen Anspruchsinhabers und ist nicht vererbbar.
Blnr LPG § 10 Abs. 1 Satz 1; ZPO § 927
Leitsätze:*1. Einer Vererblichkeit des Gegendarstellungsanspruch steht entgegen, dass es sich bei dem - im allgemeinen Persönlichkeitsrecht
wurzelnden - nichtvermögensrechtlichen und daher nicht von § 1922 Absatz 1 BGB erfassten
Gegendarstellungsanspruch um ein höchstpersönliches Recht handelt, welches ausschließlich dem Betroffenen zusteht.
2. Daran ändert nichts, dass der zwischenzeitlich verstorbene Anspruchsteller noch selbst zu seinen Lebzeiten eine einstweilige
Verfügung auf Veröffentlichung der Gegendarstellung erwirkte und diese dem Antragsgegner auch zustellen ließ.
Diese tatsächlichen Umstände ändern nichts daran, dass mit dem Tod des Anspruchstellers
der Gegendarstellungsanspruch und somit der Verfügungsanspruch untergegangen ist.
3. Mit dem Wegfall des Gegendarstellungsanspruches tritt ein
veränderter Umstand i.S.v. § 927 ZPO ein. Nach dem Tod des Betroffenen kann der in Anspruch Genommene (hier: Verlag) die Aufhebung der
die Veröffentlichung der Gegendarstellung anordnenden einstweiligen Verfügung verlangen.
4. Die Gegendarstellung ist eine untrennbar mit der Person des Erklärenden verbundene höchstpersönliche Erklärung, deren
Wirksamkeit mit dem Tod endet und daher auch nicht mehr Gegenstand eines Anspruches auf Abdruck einer Gegendarstellung sein kann.
Sie enthält die eigene Darstellung des Betroffenen mit seinen eigenen Worten und drängt § 10 LPG zurück, um dem Betroffenen
das Recht zu geben sich unabhängig vom Wahrheitsgehalt (insofern anders als der Richtigstellungsanspruch) schnell mit eigenen
Worten gegen die Presseveröffentlichung zu wenden und seine Sicht der Dinge darzulegen.
5. Der Gegendarstellungsanspruch betrifft ausschließlich das ideelle Interesse des Betroffenen, mit eigenen Worten einer
Tatsachenbehauptung entgegenzutreten. In der formalen Ausgestaltung des Anspruches, nach der es auf die Wahrheitsfrage
grundsätzlich nicht ankommen soll, kommt zum Ausdruck, dass es bei seiner Durchsetzung nicht um den Schutz von Vermögensinteressen
oder sonstigen spezifischen Rechtsgütern geht, sondern nur darum, dem von der Verbreitung einer Tatsachenbehauptung Betroffenen
das Recht zu sichern, sich vor der Öffentlichkeit in seiner Angelegenheit persönlich Gehör zu verschaffen.
MIR 2007, Dok. 081
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 02.03.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/583
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