Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 26.10.2006 - Az. I ZR 182/04
Rücktritt des Finanzministers - Die Verwendung eines fremden Bildnisses in einer Werbeanzeige, die sich satirisch mit einem aktuellen Tagesereignis auseinandersetzt, kann vom Betroffenen hinzunehmen sein. Zum Anspruch auf Zahlung der angemessenen Lizenzgebühr bei unbefugt kommerzieller Nutzung des Bildnisses eines Prominenten.
KunstUrhG § 22, § 23; BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, § 823 Abs. 1 Ah
Leitsätze:*1. Die unbefugte kommerzielle Nutzung eines Bildnisses begründet im Allgemeinen – sei es unter dem Gesichtspunkt des
Schadensersatzes oder der ungerechtfertigten Bereicherung – einen Anspruch auf Zahlung der angemessenen Lizenzgebühr,
ohne dass es darauf ankommt, ob der Abgebildete bereit oder in der Lage gewesen wäre, gegen Entgelt Lizenzen für die
Verbreitung und öffentliche Wiedergabe seines Bildnisses einzuräumen.
2. Eine prominente Persönlichkeit aus dem Bereich der Zeitgeschichte muss es zwar regelmäßig nicht dulden, dass das
eigene Bildnis von Dritten für deren Werbezwecke eingesetzt wird. Doch findet auch hier eine Güterabwägung statt,
die dazu führen kann, dass die Verwendung des fremden Bildnisses in einer Werbeanzeige, die sich satirisch mit einem
aktuellen Tagesereignis auseinandersetzt, vom Betroffenen hingenommen werden muss.
3. Die unbefugte kommerzielle Nutzung eines Bildnisses stellt einen Eingriff in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt
des Rechts am eigenen Bild wie auch des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar und begründet grundsätzlich – neben dem
Verschulden voraussetzenden Schadensersatzanspruch – einen Anspruch aus Eingriffskondiktion auf Zahlung der üblichen Lizenzgebühr.
Bereicherungsgegenstand ist die Nutzung des Bildnisses. Da diese nicht herausgegeben werden kann, ist nach § 818 Abs. 2 BGB
Wertersatz zu leisten. Wer das Bildnis eines Dritten unberechtigt für kommerzielle Zwecke ausnutzt, zeigt damit, dass er ihm
einen wirtschaftlichen Wert beimisst. An der damit geschaffenen vermögensrechtlichen Zuordnung muss sich der Verletzer
festhalten lassen und einen der Nutzung entsprechenden Wertersatz leisten.
4. Derjenige, der keinem schutzwürdigen Informationsinteresse der Allgemeinheit nachkommt, kann sich nicht
auf § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG berufen. Das schutzwürdige Informationsinteresse fehlt bei Werbeanzeigen, wenn sie ausschließlich
den Geschäftsinteressen des mit der Abbildung werbenden Unternehmens dienen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn
das Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte nur verwendet wird, um den Werbewert der prominenten Persönlichkeit
auszunutzen und auf das beworbene Produkt überzuleiten.
5. Dagegen ist der Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eröffnet, wenn die Werbeanzeige neben dem Werbezweck auch
einen Informationsgehalt für die Allgemeinheit aufweist. Denn der kommerzielle Zusammenhang schließt es nicht aus, dass
die Veröffentlichung auch der Information der Allgemeinheit dient.
Der Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG erstreckt sich auch auf kommerzielle Meinungsäußerungen und auf reine Wirtschaftswerbung,
die einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat, und zwar auch auf die Veröffentlichung eines Bildnisses, das
die Meinungsäußerung transportiert oder ergänzt.
MIR 2006, Dok. 250
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 01.12.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/468
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
BGH, Urteil vom 28.07.2022 - I ZR 171/21, MIR 2022, Dok. 074
Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung III - Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bei teilweise berechtigter aber zu weit gehender und unberechtigter Schutzrechtsverwarnung nicht zwingend
BGH, Urteil vom 07.07.2020 - X ZR 42/17, MIR 2020, Dok. 069
Sportwagenfoto - Der Schadenersatz nach der Lizenzanalogie für die unbefugte kommerzielle Nutzung eines einfachen Lichtbildes kann mit EUR 100,00 ausreichend bemessen sein
BGH, Urteil vom 13.09.2018 - I ZR 187/17, MIR 2018, Dok. 060
Abmahnschreiben als Dateianhang - Ein Abmahnschreiben, das lediglich als Dateianhang zu einer E-Mail versandt wird, ist in der Regel nur und erst dann zugegangen, wenn der E-Mail-Empfänger den Dateianhang tatsächlich geöffnet hat
OLG Hamm, Beschluss vom 09.03.2022 - 4 W 119/20, MIR 2022, Dok. 027
Werbung für Sportbekleidung mit "olympiaverdächtig" und "olympiareif" kein Verstoß gegen Olympia-Schutzgesetz
Bundesgerichtshof, MIR 2019, Dok. 010