Rechtsprechung
LG Frankfurt a.M., vom 23.11.2006 - 2-03 O 172/06
"Abstracts" - Zur Zulässigkeit der Weitergabe von eigengestalteten Kurzfassungen und Inhaltsangaben urheberrechtlich geschützter Textvorlagen (hier: Originalbuchkritiken - Perlentaucher).
UrhG § 12 Abs. 2, § 16, § 17, § 23, § 97; MarkenG § 14 Abs. 2, § 15, § 23 Nr. 2; UWG § 3, § 4 Nr. 9, § 8ff
Leitsätze:*1. Bei eigengestalteten Kurzfassungen urheberrechtlich geschützter Textvorlagen (hier: Originalbuchkritiken) - so genannter "abstracts" -
handelt es sich um Sekundärnutzungen, die dazu dienen den Leser über den wesentlichen Inhalt der Originaltexte zu informieren.
2. Eingriffe in die urheberrechtlichen Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte gem. §§ 16,17 UrhG scheitert im Fall von "abstracts"
bereits daran, dass es an einer 1:1-Dokumentation von Textauszügen fehlt. Übernommen werden allenfalls sehr kleine Teile
der Originaltexte wie einzelne Wörter, Sätze oder Satzteile, bei denen der Urheberrechtsschutz grundsätzlich daran scheitern,
dass sie nicht ausreichend Raum für die Entfaltung von Individualität bieten. Mangels "Vervielfältigung" ist dann auch das in § 51 UrhG
geregelte Zitatrecht nicht einschlägig.
3. "Abstracts" beinhalten (lediglich) Inhaltsmitteilungen. Weil die zugrunde liegenden Originaltexte aber bereits mit Zustimmung
der jeweiligen Urheber erstveröffentlicht sind, beruht die Zulässigkeit der Inhaltsmitteilung auf § 12 II UrhG. Aus dieser
Vorschrift ergibt sich im Umkehrschluss, dass nach Erschöpfung des Mitteilungsvorbehalts jedermann den Inhalt des Werkes öffentlich
mitteilen oder beschreiben kann, ohne den Urheber fragen zu müssen. Diese Inhaltsmitteilungen sind von dem Einwilligungsvorbehalt des § 23
UrhG freigestellt.
4. Unter Mitteilung und Beschreibung im Sinne von § 12 Abs. 2 UrhG versteht man eine solche Darstellung, die den Leser über das
Werk unterrichtet, ohne seine Lektüre, Anhörung oder Betrachtung zur ersetzen.
5. Für die Beantwortung der Frage, wann ein "abstract" die Lektüre des Originaltextes teilweise oder ganz ersetzt, ist aus Gründen der
Rechtssicherheit und der Praktikabilität eine generelle Betrachtungsweise zu wählen und auf die objektive Eignung in der überwiegenden Anzahl
der Fälle und auf die mit der Erstellung der "abstracts" (Inhaltsmitteilungen) verbundenen finalen Zweckbestimmung abzustellen.
6. Zur marken- und wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von sog. "abstracts". Zum ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz.
MIR 2006, Dok. 242
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 25.11.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/460
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
Bundesgerichtshof, MIR 2022, Dok. 041
Fußgymnastiksandalen - Zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Birkenstock-Sandalen als Werke der angewandten Kunst (hier verneint)
OLG Köln, Urteil vom 26.01.2024 - 6 U 89/23, MIR 2024, Dok. 011
EuGH soll Fragen zur Zulässigkeit der Mietwagen-App "UBER Black" klären
Bundesgerichtshof, MIR 2017, Dok. 022
Selbständiges Beweisverfahren ist eine Geschäftsgeheimnisstreitsache im Sinne von § 16 Abs. 1 GeschGehG
BGH, Beschluss vom 09.11.2023 - I ZB 32/23, MIR 2024, Dok. 016
Verdeckte Überwachung des Arbeitnehmers mittels Keylogger ohne begründeten Verdacht unzulässig
Bundesarbeitsgericht, MIR 2017, Dok. 032