Rechtsprechung
OLG Hamm, Urteil vom 23.02.2006 - Az. 4 U 164/05
Ein Ankaufsgesuchen stellt eine Werbung i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG dar, auch wenn es hierbei nicht um die Absatzförderung geht, welche typischerweise vordergründig mit dem Begriff der Werbung in Verbindung gebracht wird. Die öffentliche Angabe der Telefaxnummer stellt keine konkludente (generelle) Einwilligung in die Zusendung von Werbung per Telefax dar.
UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3, § 7 Abs. 1, § 7 Abs. 2 Nr. 3; 84/450/EG Art. 2 Nr. 1
Leitsätze:*1. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG stellt eine Faxwerbung, die ohne Einwilligung des Adressaten erfolgt, eine unzumutbare
Belästigung dar, die nach § 7 Abs. 1 UWG eine unlautere Wettbewerbshandlung i.S.d. § 3 UWG darstellt.
2. Unerheblich in diesem Zusammenhang ist es, an wen eine Faxwerbung eigentlich gesandt werden sollte. Denn allein an die
Art der Versendung knüpft § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG den wettbewerbsrechtlichen Unwertgehalt. Ein Irrtum des Versenders hinsichtlich
des Adressaten eines Telefaxschreibens kann allenfalls bei der Frage der den Wettbewerbsverstoß ausschließenden Einwilligung
des Adressaten relevant werden.
3. Ein Ankaufsgesuchen (hier: Ankauf von bestimmten Neu- und Gebrauchtfahrzeugen) stellt eine Werbung i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG dar,
auch wenn es hierbei nicht um die Absatzförderung geht, welche typischerweise vordergründig mit dem Begriff der Werbung in Verbindung gebracht wird.
4. Der Begriff der Werbung ist gesetzlich nicht ausdrücklich definiert. Art. 2 Nr. 1 der Irreführungsrichtlinie 84/450/EG erfasst
insoweit ausdrücklich nur die Absatzförderung. Sowohl die Systematik des UWG als auch das allgemeine Sprachverständnis sprechen
allerdings dafür, entgegen der Definition der Werbung in der Irreführungsrichtlinie auch Ankaufsgesuche eines Unternehmens als Werbung i.S.d.
§ 7 Abs. 2 UWG aufzufassen. Andernfalls käme man insbesondere zu unterschiedlichen Anwendungsbereichen des § 7 Abs. 1 UWG einerseits und des
§ 7 Abs. 2 UWG andererseits. Denn während § 7 Abs. 1 UWG in Verbindung mit § 3 UWG jede Wettbewerbshandlung als unlauter ansieht, die einen
Markteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt, führt § 7 Abs. 2 UWG einzelne Fälle unzumutbarer Belästigung an, indem er besondere Werbeformen
herausgreift, die typischerweise belästigend sind. Es würde allerdings einen Systembruch darstellen, wenn im Gegensatz zu § 7 Abs. 1 UWG nun in
§ 7 Abs. 2 UWG nicht mehr der weite Begriff der Wettbewerbshandlung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG gelten sollte, sondern in § 7 Abs. 2 UWG
mit dem Begriff der Werbung das Anwendungsgebiet dieses Absatzes lediglich auf Absatzgeschäfte beschränkt werden soll. Eine daraus resultierende
Aufspaltung in Absatz- und Nachfragewettbewerb widerspricht nicht nur der Definition der Wettbewerbshandlung in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, sondern
findet sich auch sonst nicht in den Verbotstatbeständen des UWG.
5. Die öffentliche Angabe der Telefaxnummer stellt keine konkludente (generelle) Einwilligung in die Zusendung von Werbung per Telefax
(hier: Ankaufsgesuche per Telefax) dar. Zwar kann die Einwilligung i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG auch konkludent erfolgen.
Eine solche konkludente Einwilligung liegt in der bloßen Angabe der Telefaxnummer aber gerade nicht. Vielmehr soll hierdurch (im Falle
z.B. eines Unternehmens) nur dem Käufer eine Möglichkeit geboten werden, mit dem werbenden Verkäufer in Kontakt zu treten.
MIR 2006, Dok. 167
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 24.09.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/385
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