Rechtsprechung
OLG Karlsruhe, Urteil vom 4.08.2006 - Az. 14 U 90/06
Ein Autor, der mit (wissenschaftlichen) Veröffentlichungen hervorgetreten ist, muss sich eine Überprüfung seiner Werke dahingehend gefallen lassen, ob es sich dabei um eine eigene geistige Leistung gehandelt hat. Die, das Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen berührenden Recherchemaßnahmen, sind gerechtfertigt, wenn sie von einem vertretbaren Informationsinteresse (der Presse) getragen sind.
Leitsatz:
GG Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 2; BGB §§ 1004, 823 Abs. 1
1. Soweit ein Verhalten die private und berufliche Reputation einer Person betrifft, kann hierin ein Eingriff in das allgemeine
Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und in das Recht auf freie Berufsausübung liegen.
2. Die Pressefreiheit gewährleistet nicht nur die Freiheit, Nachrichten und Meinungen zu verbreiten. Sie umfasst auch den gesamten
Bereich der publizistischen Vorbereitungstätigkeit, zu der insbesondere auch die Beschaffung von Information gehört.
3. Das Informationsinteresse der Presse hängt mit deren öffentlicher Aufgabe zusammen, die Öffentlichkeit zu informieren und zur
Meinungsbildung beizutragen. Dabei ist es weitgehend Sache der Presse selbst, darüber zu entscheiden, was sie des öffentlichen
Interesses für wert hält und was nicht.
4. Die, das Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen berührenden Recherchemaßnahmen, sind gerechtfertigt, wenn sie von einem
vertretbaren Informationsinteresse (der Presse) getragen sind, wobei es genügt, wenn einem auch nur schwachen Verdacht nachgegangen wird.
5. Es liegt in der Natur der Recherche, dass ihr keine Gewißheit, sondern nur ein Verdacht, dem noch nachzugehen ist, zugrunde liegt.
Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG garantiert, dass die Presse grundsätzlich selbst entscheiden kann, ob ein Verdacht die eine Recherche rechtfertigende
"Dichte" aufweist, und welche Recherchemaßnahmen als geeignet und erforderlich anzusehen sind, um einen Sachverhalt zu klären.
Je geringer allerdings auf der einen Seite der Verdacht ist, den die Presse zum Anlaß für die in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen
eingreifenden Recherchen nimmt, und je gravierender auf der anderen Seite diese Eingriffe sind, umso eher werden derartige
Maßnahmen unverhältnismäßig und vom Betroffenen nicht hinzunehmen sein.
6. Ein Autor, der mit (wissenschaftlichen) Veröffentlichungen hervorgetreten ist, muss sich eine Überprüfung seiner Werke dahingehend gefallen
lassen, ob es sich dabei um eine eigene geistige Leistung gehandelt hat. Eine Überprüfung des Plagiatverdachts und seiner Auswirkungen und die
damit verbundenen Eingriffe in das berufliche Umfeld sind hinzunehmen. Anders wäre dies nur dann, wenn die Recherchen mit unnötigen und außer
Verhältnis zu dem mit ihnen verfolgten Zweck stehenden Belastungen verbunden wären.
7. Der von erwartenden Eingriffen Dritter in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht Betroffene kann in entsprechender Anwendung der
§§ 1004, 823 Abs. 1 BGB vom potentiellen Störer deren Unterlassung verlangen, wenn der Eingriff nicht seinerseits gerechtfertigt wäre.
MIR 2006, Dok. 130
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 19.08.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/345
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