Kurz notiert // Urheberrecht
Bundesgerichtshof
AIDA Kussmund - Die Panoramafreiheit erstreckt sich auch auf nicht ortsfeste Kunstwerke
BGH, Urteil vom 27.04.2017 - I ZR 247/15 - AIDA Kussmund; Vorinstanzen: LG Köln, 04.03.2015 - 28 O 554/12; OLG Köln, 23.10.2015 - 6 U 34/15
MIR 2017, Dok. 019, Rz. 1
1
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 27.04.2017 (I ZR 247/15 - AIDA Kussmund) entschieden, dass sich die sogenannte Panoramafreiheit auch auf Kunstwerke erstreckt, die nicht ortsfest sind.
Zur Sache
Die Klägerin veranstaltet Kreuzfahrten. Ihre Kreuzfahrtschiffe sind mit dem sogenannten "AIDA Kussmund" dekoriert. Das Motiv besteht aus einem am Bug der Schiffe aufgemalten Mund, seitlich an den Bordwänden aufgemalten Augen und von diesen ausgehenden Wellenlinien. Das Motiv wurde von einem bildenden Künstler geschaffen, der der Klägerin daran das ausschließliche Nutzungsrecht eingeräumt hat.
Der Beklagte betrieb eine Internetseite, auf der er Ausflüge bei Landgängen auf Kreuzfahrtreisen in Ägypten anbot. Auf dieser Seite veröffentlichte er das Foto der Seitenansicht eines Schiffes der Klägerin, auf dem der "AIDA Kussmund" zu sehen ist.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte habe damit ihre Rechte am als Werk der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützten "AIDA Kussmund" verletzt. Die Wiedergabe des auf dem Kreuzfahrtschiff aufgemalten Motivs sei nicht von der Schrankenregelung des § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG - der sogenannten Panoramafreiheit - gedeckt, da sich das Kunstwerk nicht bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinde. Sie hat beantragt, dem Beklagten zu verbieten, den "AIDA Kussmund" auf diese Weise öffentlich zugänglich zu machen. Außerdem hat sie die Feststellung seiner Schadensersatzpflicht begehrt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Die Panoramafreiheit erfasst auch Werke an Fahrzeugen die sich bestimmungsgemäß im öffentlichen Raum bewegen
Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Der Beklagte durfte - so der Bundesgerichtshof - die Fotografie des Kreuzfahrtschiffs mit dem "AIDA Kussmund" ins Internet einstellen und damit öffentlich zugänglich machen, weil sich der abgebildete "AIDA Kussmund" im Sinne von § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befindet.
Werk muss von Orten, die unter freiem Himmel liegen und für jedermann frei zugänglich sind, wahrgenommen werden können
Ein Werk befinde sich im Sinne dieser Vorschrift an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, wenn es von Orten aus, die unter freiem Himmel liegen und für jedermann frei zugänglich sind, wahrgenommen werden kann. Diese Voraussetzung sei auch dann erfüllt, wenn ein Werk nicht ortsfest ist und sich nacheinander an verschiedenen öffentlichen Orten befindet. Ein Werk befinde sich bleibend an solchen Orten, wenn es aus Sicht der Allgemeinheit dazu bestimmt ist, für längere Dauer dort zu sein.
Die Panoramafreiheit erfasse daher beispielsweise auch Werke an Fahrzeugen, die bestimmungsgemäß im öffentlichen Straßenverkehr eingesetzt werden. Dabei könne es sich etwa um Werbung auf Omnibussen oder Straßenbahnen handeln, die den Anforderungen an Werke der angewandten Kunst genügt. Das Fotografieren und Filmen im öffentlichen Raum würde zu weitgehend eingeschränkt, wenn die Aufnahme solcher Fahrzeuge urheberrechtliche Ansprüche auslösen könnte, so das Gericht. Künstler, die Werke für einen solchen Verwendungszweck schaffen, müssen es nach Ansicht des Bundesgerichtshofs daher hinnehmen, dass ihre Werke an diesen öffentlichen Orten ohne ihre Einwilligung fotografiert oder gefilmt werden.
Danach durfte der Beklagte den auf dem Kreuzfahrtschiff der Klägerin aufgemalten "AIDA Kussmund" fotografieren und ins Internet einstellen. Das mit dem "AIDA Kussmund" dekorierte Kreuzfahrtschiff befinde sich bleibend an öffentlichen Orten, weil es dazu bestimmt ist, für längere Dauer auf der Hohen See, im Küstenmeer, auf Seewasserstraßen und in Seehäfen eingesetzt zu werden, und dort von Orten aus, die für jedermann frei zugänglich sind wahrgenommen werden kann. Es könne von diesen grundsätzlich allgemein zugänglichen Gewässern oder - etwa im Hafen - vom jedermann frei zugänglichen Festland aus gesehen werden. Es komme nicht darauf an, dass sich der "AIDA Kussmund" mit dem Kreuzfahrtschiff fortbewegt und zeitweise an nicht öffentlich zugänglichen Orten - etwa in einer Werft - aufhalten mag.
(tg) - Quelle: PM Nr. 056/2017 des BGH vom 27.04.2017
Zur Sache
Die Klägerin veranstaltet Kreuzfahrten. Ihre Kreuzfahrtschiffe sind mit dem sogenannten "AIDA Kussmund" dekoriert. Das Motiv besteht aus einem am Bug der Schiffe aufgemalten Mund, seitlich an den Bordwänden aufgemalten Augen und von diesen ausgehenden Wellenlinien. Das Motiv wurde von einem bildenden Künstler geschaffen, der der Klägerin daran das ausschließliche Nutzungsrecht eingeräumt hat.
Der Beklagte betrieb eine Internetseite, auf der er Ausflüge bei Landgängen auf Kreuzfahrtreisen in Ägypten anbot. Auf dieser Seite veröffentlichte er das Foto der Seitenansicht eines Schiffes der Klägerin, auf dem der "AIDA Kussmund" zu sehen ist.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte habe damit ihre Rechte am als Werk der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützten "AIDA Kussmund" verletzt. Die Wiedergabe des auf dem Kreuzfahrtschiff aufgemalten Motivs sei nicht von der Schrankenregelung des § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG - der sogenannten Panoramafreiheit - gedeckt, da sich das Kunstwerk nicht bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinde. Sie hat beantragt, dem Beklagten zu verbieten, den "AIDA Kussmund" auf diese Weise öffentlich zugänglich zu machen. Außerdem hat sie die Feststellung seiner Schadensersatzpflicht begehrt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Die Panoramafreiheit erfasst auch Werke an Fahrzeugen die sich bestimmungsgemäß im öffentlichen Raum bewegen
Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Der Beklagte durfte - so der Bundesgerichtshof - die Fotografie des Kreuzfahrtschiffs mit dem "AIDA Kussmund" ins Internet einstellen und damit öffentlich zugänglich machen, weil sich der abgebildete "AIDA Kussmund" im Sinne von § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befindet.
Werk muss von Orten, die unter freiem Himmel liegen und für jedermann frei zugänglich sind, wahrgenommen werden können
Ein Werk befinde sich im Sinne dieser Vorschrift an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, wenn es von Orten aus, die unter freiem Himmel liegen und für jedermann frei zugänglich sind, wahrgenommen werden kann. Diese Voraussetzung sei auch dann erfüllt, wenn ein Werk nicht ortsfest ist und sich nacheinander an verschiedenen öffentlichen Orten befindet. Ein Werk befinde sich bleibend an solchen Orten, wenn es aus Sicht der Allgemeinheit dazu bestimmt ist, für längere Dauer dort zu sein.
Die Panoramafreiheit erfasse daher beispielsweise auch Werke an Fahrzeugen, die bestimmungsgemäß im öffentlichen Straßenverkehr eingesetzt werden. Dabei könne es sich etwa um Werbung auf Omnibussen oder Straßenbahnen handeln, die den Anforderungen an Werke der angewandten Kunst genügt. Das Fotografieren und Filmen im öffentlichen Raum würde zu weitgehend eingeschränkt, wenn die Aufnahme solcher Fahrzeuge urheberrechtliche Ansprüche auslösen könnte, so das Gericht. Künstler, die Werke für einen solchen Verwendungszweck schaffen, müssen es nach Ansicht des Bundesgerichtshofs daher hinnehmen, dass ihre Werke an diesen öffentlichen Orten ohne ihre Einwilligung fotografiert oder gefilmt werden.
Danach durfte der Beklagte den auf dem Kreuzfahrtschiff der Klägerin aufgemalten "AIDA Kussmund" fotografieren und ins Internet einstellen. Das mit dem "AIDA Kussmund" dekorierte Kreuzfahrtschiff befinde sich bleibend an öffentlichen Orten, weil es dazu bestimmt ist, für längere Dauer auf der Hohen See, im Küstenmeer, auf Seewasserstraßen und in Seehäfen eingesetzt zu werden, und dort von Orten aus, die für jedermann frei zugänglich sind wahrgenommen werden kann. Es könne von diesen grundsätzlich allgemein zugänglichen Gewässern oder - etwa im Hafen - vom jedermann frei zugänglichen Festland aus gesehen werden. Es komme nicht darauf an, dass sich der "AIDA Kussmund" mit dem Kreuzfahrtschiff fortbewegt und zeitweise an nicht öffentlich zugänglichen Orten - etwa in einer Werft - aufhalten mag.
(tg) - Quelle: PM Nr. 056/2017 des BGH vom 27.04.2017
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 27.04.2017
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2813
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