Kurz notiert // Äußerungsrecht
Bundesgerichtshof
Satire ist zu entkleiden - Zur Ermittlung des Aussagegehalts von satirischen Äußerungen in einer Fernsehsendung
BGH, Urteile vom 10.01.2017 - VI ZR 561/15 und VI ZR 562/15; Vorinstanzen: LG Hamburg, 21.11.2014 – 324 O 443/14 und 324 O 448/14; OLG Hamburg, 08.09.2015 - 7 U 121/14 und 7 U 120/14
MIR 2017, Dok. 002, Rz. 1
1
Mit Urteilen vom 10.01.2017 (VI ZR 561/15 und VI ZR 562/15) hatte sich der Bundesgerichtshof mit den Kriterien zur Ermittlung des Aussagegehalts satirischer Äußerungen im Rahmen einer entsprechenden Fernsehsendung zu befassen. Auch satirische Äußerungen seien stets in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen, in dem sie gefallen sind und hinsichtlich ihres (tatsächlichen) Aussagegehalts von ihrer satirischen Einkleidung zu befreien, so das Gericht.
Zur Sache:
Der Kläger in dem Verfahren VI ZR 561/15 ist Mitherausgeber, der Kläger in dem Verfahren VI ZR 562/15 ist einer der Redakteure der Wochenzeitung "DIE ZEIT". Die Kläger machen gegen die Beklagte, das ZDF, Ansprüche auf Unterlassung von Äußerungen geltend, die in der von der Beklagten am 29.04.2014 ausgestrahlten Satiresendung "Die Anstalt" getätigt wurden. Gegenstand der Sendung war insoweit ein Dialog zwischen zwei Kabarettisten, in dem es um die Frage der Unabhängigkeit von Journalisten bei dem Thema Sicherheitspolitik ging. Die Kläger sind der Auffassung, im Rahmen dieses Dialogs sei die unzutreffende Tatsachenbehauptung aufgestellt worden, sie seien Mitglieder, Vorstände oder Beiräte in acht bzw. drei Organisationen, die sich mit sicherheitspolitischen Fragen befassen. Der Kläger in dem Verfahren VI ZR 562/15 ist darüber hinaus der Auffassung, es sei der Wahrheit zuwider behauptet worden, er habe an der Vorbereitung der Rede des Bundespräsidenten vor der Münchener Sicherheitskonferenz im Januar 2014, über die er später als Journalist wohlwollend berichtet hat, mitgewirkt.
Das Oberlandesgericht hat die Beklagte zur Unterlassung der angegriffenen Äußerungen verurteilt.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Satire ist zu entkleiden - Äußerung stets in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen, in dem sie gefallen ist
Die vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revisionen haben zur Aufhebung der Berufungsurteile und zur Abweisung der Klagen geführt. Das Berufungsgericht habe den angegriffenen Äußerungen einen unzutreffenden Sinngehalt entnommen, so der Bundesgerichtshof. Bei korrekter Ermittlung des Aussagegehalts haben die Kabarettisten die oben genannten Aussagen nicht getätigt; ein Verbot komme insoweit nicht in Betracht. Zur Erfassung des Aussagegehalts einer Äußerung müsse diese stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Äußerungen im Rahmen eines satirischen Beitrags seien zudem zur Ermittlung ihres eigentlichen Aussagegehalts von ihrer satirischen Einkleidung, der die Verfremdung wesenseigen sei, zu entkleiden. Bei einem satirischen Fernsehbeitrag sei daher zu berücksichtigen, welche Botschaft bei einem unvoreingenommenen und verständigen Zuschauer angesichts der Vielzahl der auf einen Moment konzentrierten Eindrücke ankommt.
Dies zugrunde gelegt lasse sich dem Sendebeitrag der Beklagten im Wesentlichen nur die Aussage entnehmen, es bestünden Verbindungen zwischen den Klägern und in der Sendung genannten Organisationen. Diese Aussage sei aber zutreffend und damit zulässig, so der Bundesgerichtshof.
(tg) - Quelle: PM Nr. 004/2017 des BGH vom 10.01.2017
Zur Sache:
Der Kläger in dem Verfahren VI ZR 561/15 ist Mitherausgeber, der Kläger in dem Verfahren VI ZR 562/15 ist einer der Redakteure der Wochenzeitung "DIE ZEIT". Die Kläger machen gegen die Beklagte, das ZDF, Ansprüche auf Unterlassung von Äußerungen geltend, die in der von der Beklagten am 29.04.2014 ausgestrahlten Satiresendung "Die Anstalt" getätigt wurden. Gegenstand der Sendung war insoweit ein Dialog zwischen zwei Kabarettisten, in dem es um die Frage der Unabhängigkeit von Journalisten bei dem Thema Sicherheitspolitik ging. Die Kläger sind der Auffassung, im Rahmen dieses Dialogs sei die unzutreffende Tatsachenbehauptung aufgestellt worden, sie seien Mitglieder, Vorstände oder Beiräte in acht bzw. drei Organisationen, die sich mit sicherheitspolitischen Fragen befassen. Der Kläger in dem Verfahren VI ZR 562/15 ist darüber hinaus der Auffassung, es sei der Wahrheit zuwider behauptet worden, er habe an der Vorbereitung der Rede des Bundespräsidenten vor der Münchener Sicherheitskonferenz im Januar 2014, über die er später als Journalist wohlwollend berichtet hat, mitgewirkt.
Das Oberlandesgericht hat die Beklagte zur Unterlassung der angegriffenen Äußerungen verurteilt.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Satire ist zu entkleiden - Äußerung stets in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen, in dem sie gefallen ist
Die vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revisionen haben zur Aufhebung der Berufungsurteile und zur Abweisung der Klagen geführt. Das Berufungsgericht habe den angegriffenen Äußerungen einen unzutreffenden Sinngehalt entnommen, so der Bundesgerichtshof. Bei korrekter Ermittlung des Aussagegehalts haben die Kabarettisten die oben genannten Aussagen nicht getätigt; ein Verbot komme insoweit nicht in Betracht. Zur Erfassung des Aussagegehalts einer Äußerung müsse diese stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Äußerungen im Rahmen eines satirischen Beitrags seien zudem zur Ermittlung ihres eigentlichen Aussagegehalts von ihrer satirischen Einkleidung, der die Verfremdung wesenseigen sei, zu entkleiden. Bei einem satirischen Fernsehbeitrag sei daher zu berücksichtigen, welche Botschaft bei einem unvoreingenommenen und verständigen Zuschauer angesichts der Vielzahl der auf einen Moment konzentrierten Eindrücke ankommt.
Dies zugrunde gelegt lasse sich dem Sendebeitrag der Beklagten im Wesentlichen nur die Aussage entnehmen, es bestünden Verbindungen zwischen den Klägern und in der Sendung genannten Organisationen. Diese Aussage sei aber zutreffend und damit zulässig, so der Bundesgerichtshof.
(tg) - Quelle: PM Nr. 004/2017 des BGH vom 10.01.2017
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 10.01.2017
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2796
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