Kurz notiert // Wettbewerbsrecht
Bundesgerichtshof
Werbung mit Zuzahlungsverzicht bei medizinischen Hilfsmitteln zulässig
BGH, Urteil vom 01.12.2016 – I ZR 143/15 – Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln; Vorinstanzen: LG Ulm, Urteil vom 23.06.2014 - 3 O 4/14; OLG Stuttgart, Urteil vom 09.07.2015 - 2 U 83/14
MIR 2016, Dok. 035, Rz. 1
1
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 01.12.2016 (I ZR 143/15 – Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln) entschieden, dass die Werbung eines Onlinehändlers mit einem Verzicht auf die gesetzliche Zuzahlung bei medizinischen Hilfsmitteln zulässig ist.
Zur Sache
Die Beklagte handelt im Internet mit medizinischen Hilfsmitteln, insbesondere zur Behandlung von Diabetes. Sie warb damit, dass ihre Kunden keine gesetzliche Zuzahlung entrichten mĂĽssen, weil sie diese ĂĽbernehme.
Die klagende Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs beanstandet diese Werbung, weil sie gegen die Regelungen zur Zuzahlung in § 33 Abs. 8 SGB V und § 43c Abs. 1 SGB V sowie gegen das Verbot von Werbegaben in § 7 Abs. 1 HWG verstoße und begehrt Unterlassung und Kostenersatz.
Das Landgericht Ulm (Urteil vom 23.06.2014 - 3 O 4/14) hat die Klage abgewiesen, die Berufung der Klägerin hatte Erfolg. Der Verzicht auf die Zuzahlung widerspreche der gesetzlichen Pflicht, die Zuzahlungen für Hilfsmittel einzuziehen, und stelle deshalb eine im Gesundheitswesen verbotene Werbegabe dar, so das OLG Stuttgart (Urteil vom 09.07.2015 - 2 U 83/14).
Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof die die Klage abweisende Entscheidung des Landgerichts wiederhergestellt.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Zuzahlungsregelungen nicht miittels Lauterkeitsrecht durchsetzbar - Zuzahlungsverzicht keine verbotene Heilmittelwerbung
Die gesetzlichen Zuzahlungsregelungen diene der Kostendämpfung im Gesundheitswesen und nicht dem Schutz der dort tätigen Mitbewerber. Die Einhaltung dieser Regeln könne daher von vornherein nicht mit Mitteln des Lauterkeitsrechts durchgesetzt werden.
Der Zuzahlungsverzicht sei auch keine verbotene Heilmittelwerbung. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a HWG seien bestimmte oder auf bestimmte Art zu berechnende Rabatte jeder Art für nicht preisgebundene Arzneimittel, Medizinprodukte und andere Heilmittel erlaubt. In § 33 Abs. 8 Satz 3 SGB V und § 61 Satz 1 SGB V seien die Zuzahlungen an die Höhe des Abgabepreises gekoppelt und lassen sich ohne weiteres errechnen.
Die gesetzlichen Regelungen zur Zuzahlung stünden einem solchen Rabatt bei Hilfsmitteln nicht entgegen, so das Gericht. Gemäß § 33 Abs. 8 SGB V werde bei Hilfsmitteln der Verkäufer und nicht – wie etwa bei apothekenpflichtigen Arzneimitteln - die Krankenkasse Inhaber der Zuzahlungsforderung gegen die Versicherten. Der Vergütungsanspruch des Hilfsmittellieferanten gegen die Krankenkasse verringere sich automatisch um die Zuzahlung. Der Verkäufer der Hilfsmittel könne über die Zuzahlungsforderung frei verfügen, also darauf auch verzichten. § 43c Abs. 1 SGB V gelte nicht beim Vertrieb von Hilfsmitteln.
(tg) - Quelle: PM Nr. 220/2016 des BGH vom 01.12.2016
Zur Sache
Die Beklagte handelt im Internet mit medizinischen Hilfsmitteln, insbesondere zur Behandlung von Diabetes. Sie warb damit, dass ihre Kunden keine gesetzliche Zuzahlung entrichten mĂĽssen, weil sie diese ĂĽbernehme.
Die klagende Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs beanstandet diese Werbung, weil sie gegen die Regelungen zur Zuzahlung in § 33 Abs. 8 SGB V und § 43c Abs. 1 SGB V sowie gegen das Verbot von Werbegaben in § 7 Abs. 1 HWG verstoße und begehrt Unterlassung und Kostenersatz.
Das Landgericht Ulm (Urteil vom 23.06.2014 - 3 O 4/14) hat die Klage abgewiesen, die Berufung der Klägerin hatte Erfolg. Der Verzicht auf die Zuzahlung widerspreche der gesetzlichen Pflicht, die Zuzahlungen für Hilfsmittel einzuziehen, und stelle deshalb eine im Gesundheitswesen verbotene Werbegabe dar, so das OLG Stuttgart (Urteil vom 09.07.2015 - 2 U 83/14).
Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof die die Klage abweisende Entscheidung des Landgerichts wiederhergestellt.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Zuzahlungsregelungen nicht miittels Lauterkeitsrecht durchsetzbar - Zuzahlungsverzicht keine verbotene Heilmittelwerbung
Die gesetzlichen Zuzahlungsregelungen diene der Kostendämpfung im Gesundheitswesen und nicht dem Schutz der dort tätigen Mitbewerber. Die Einhaltung dieser Regeln könne daher von vornherein nicht mit Mitteln des Lauterkeitsrechts durchgesetzt werden.
Der Zuzahlungsverzicht sei auch keine verbotene Heilmittelwerbung. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a HWG seien bestimmte oder auf bestimmte Art zu berechnende Rabatte jeder Art für nicht preisgebundene Arzneimittel, Medizinprodukte und andere Heilmittel erlaubt. In § 33 Abs. 8 Satz 3 SGB V und § 61 Satz 1 SGB V seien die Zuzahlungen an die Höhe des Abgabepreises gekoppelt und lassen sich ohne weiteres errechnen.
Die gesetzlichen Regelungen zur Zuzahlung stünden einem solchen Rabatt bei Hilfsmitteln nicht entgegen, so das Gericht. Gemäß § 33 Abs. 8 SGB V werde bei Hilfsmitteln der Verkäufer und nicht – wie etwa bei apothekenpflichtigen Arzneimitteln - die Krankenkasse Inhaber der Zuzahlungsforderung gegen die Versicherten. Der Vergütungsanspruch des Hilfsmittellieferanten gegen die Krankenkasse verringere sich automatisch um die Zuzahlung. Der Verkäufer der Hilfsmittel könne über die Zuzahlungsforderung frei verfügen, also darauf auch verzichten. § 43c Abs. 1 SGB V gelte nicht beim Vertrieb von Hilfsmitteln.
(tg) - Quelle: PM Nr. 220/2016 des BGH vom 01.12.2016
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 02.12.2016
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2793
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
Online seit: 02.12.2016
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2793
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
Was Sie noch interessieren könnte...
Flaschenpfand III - Fragen zur Preisangabe bei der Werbung für Waren in Pfandbehältern dem EuGH vorgelegt
BGH, Beschluss vom 29.07.2021 - I ZR 135/20 , MIR 2021, Dok. 068
Vollständig verdrängt - Kein Anwendungsbereich mehr für § 13 Abs. 1 TMG nach Inkrafttreten der DSGVO
Hanseatisches OLG, Hinweisbeschluss vom 10.12.2019 - 15 U 90/19, MIR 2020, Dok. 015
Presserechtliche Informationsschreiben - Die Ăśbermittlung eines (hinreichend konkreten) "presserechtlichen Informationsschreibens" greift in der Regel nicht rechtswidrig in das Recht am eingerichteten und ausgeĂĽbten Gewerbebetrieb eines Presseunternehmens ein
BGH, Urteil vom 15.01.2019 - VI ZR 506/17, MIR 2019, Dok. 004
Nie wieder keine Ahnung! - Zur (fehlenden) Verwechslungsgefahr bei dem gleichen Werktitel fĂĽr zwei unterschiedliche Werke (hier Fernsehbeitrag und Sachbuch)
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 11.01.2022 - 6 W 102/21, MIR 2022, Dok. 012
YouTube-Werbekanal II - Ein bei YouTube abrufbares Werbevideo fĂĽr neue Personenkraftwagen erfordert Angaben zum Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen
BGH, Urteil vom 13.09.2018 - I ZR 117/15, MIR 2018, Dok. 049
BGH, Beschluss vom 29.07.2021 - I ZR 135/20 , MIR 2021, Dok. 068
Vollständig verdrängt - Kein Anwendungsbereich mehr für § 13 Abs. 1 TMG nach Inkrafttreten der DSGVO
Hanseatisches OLG, Hinweisbeschluss vom 10.12.2019 - 15 U 90/19, MIR 2020, Dok. 015
Presserechtliche Informationsschreiben - Die Ăśbermittlung eines (hinreichend konkreten) "presserechtlichen Informationsschreibens" greift in der Regel nicht rechtswidrig in das Recht am eingerichteten und ausgeĂĽbten Gewerbebetrieb eines Presseunternehmens ein
BGH, Urteil vom 15.01.2019 - VI ZR 506/17, MIR 2019, Dok. 004
Nie wieder keine Ahnung! - Zur (fehlenden) Verwechslungsgefahr bei dem gleichen Werktitel fĂĽr zwei unterschiedliche Werke (hier Fernsehbeitrag und Sachbuch)
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 11.01.2022 - 6 W 102/21, MIR 2022, Dok. 012
YouTube-Werbekanal II - Ein bei YouTube abrufbares Werbevideo fĂĽr neue Personenkraftwagen erfordert Angaben zum Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen
BGH, Urteil vom 13.09.2018 - I ZR 117/15, MIR 2018, Dok. 049