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Kurz notiert // Zivilrecht



Bundesgerichtshof

Widerrufsrecht des Verbrauchers bei im Fernabsatz geschlossenen Immobilien-Maklerverträgen

BGH, Urteile vom 07.07.2016 - I ZR 30/15; Vorinstanzen: LG Itzehoe, Urteil vom 30.05.2014 - 6 O 379/13; OLG Schleswig, Urteil vom 22.01.2015 - 16 U 89/14 BGH, Urteile vom 07.07.2016 - I ZR 68/15; Vorinstanzen: LG Erfurt, Urteil vom 25.02.2014 - 8 O 804/13; OLG Jena – Urteil vom 04.03.2015 - 2 U 205/14

MIR 2016, Dok. 021, Rz. 1


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Der Bundesgerichtshof hat am 07.07.2016 in zwei Revisionsverfahren (I ZR 30/15 und I ZR 68/15) entschieden, dass ein per E-Mail oder Telefon geschlossener Grundstücksmaklervertrag ein Fernabsatzgeschäft im Sinne von § 312b BGB in der bis zum 12.06.2014 geltenden Fassung (= BGB aF) ist und vom Maklerkunden innerhalb der gesetzlichen Fristen widerrufen werden kann.

Verfahren I ZR 30/15

Im Verfahren I ZR 30/15 wird der Beklagte auf Zahlung einer Maklerprovision in Anspruch genommen. Die Immobilienmaklerin bewarb im April 2013 in einem Internetportal ein Hausgrundstück. Der Beklagte bekundete per E-Mail sein Interesse an dem Objekt. Die Immobilienmaklerin übersandte ihm darauf als PDF-Datei ein Exposé, in dem eine vom Käufer zu zahlende Maklerprovision von 6,25% des Kaufpreises ausgewiesen war. Eine Widerrufsbelehrung enthielten weder die Internetanzeige noch das Exposé. Der Beklagte bestätigte telefonisch den Eingang des Exposés und bat um einen Besichtigungstermin. Einige Wochen nach der Besichtigung erwarb er das Grundstück zu einem Kaufpreis von 240.000 Euro. Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Zahlung einer Maklerprovision in Höhe von 15.000 Euro. Der Beklagte hat den Maklervertrag im Laufe des Rechtsstreits widerrufen. Das Landgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg.

Verfahren I ZR 68/15

Im Verfahren I ZR 68/15 bewarb die Klägerin, eine Immobilienmaklerin, im Jahr 2013 im Internet ein Grundstück. Auf die Anfrage des Beklagten übersandte sie ihm per E-Mail ein Exposé, in dem eine vom Käufer zu zahlende Maklerprovision von 3,57% des Kaufpreises ausgewiesen war. Eine Widerrufsbelehrung fand sich in dem Exposé nicht. Der Beklagte bestätigte per E-Mail den Eingang des Exposés und vereinbarte mit der Klägerin einen Besichtigungstermin. In der Folgezeit erwarb er das Grundstück zu einem Kaufpreis von 650.000 Euro. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Zahlung einer Maklerprovision in Höhe von 23.205 Euro. Im Laufe des Rechtsstreits hat der Beklagte den Maklervertrag widerrufen. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Klage auf die Berufung des Beklagten abgewiesen.

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat in dem Verfahren I ZR 30/15 das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. In dem Verfahren I ZR 68/15 hat er die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB aF stehe einem Verbraucher bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB aF zu. Nach § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB aF seien Fernabsatzverträge Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Die Maklerverträge, die Gegenstand der beiden Revisionsverfahren sind, seien insoweit Fernabsatzverträge über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB aF, bei denen ein Widerrufsrecht besteht, so das Gericht.

Fehlende Widerrufsbelehrung - Widerruf war hier noch im Prozess möglich

Die jeweiligen Beklagten konnten die Maklerverträge noch im Prozess widerrufen, weil sie nicht über ihr Widerrufsrecht belehrt worden waren. Nach der Übergangsregelung in Art. 229 § 32 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB erlischt das Widerrufsrecht bei vor dem 13.06.2014 im Wege des Fernabsatzes geschlossenen Dienstleistungsverträgen bei fehlender Belehrung mit Ablauf des 27.06.2015. Der Widerruf wurde in beiden Verfahren vor diesem Datum erklärt.

Kein Ausschluss des Widerrufs wegen beiderseitiger, vollständiger Vertragserfüllung

Das Widerrufsrecht der jeweiligen Beklagten war zum Zeitpunkt der Widerrufserklärungen noch nicht gemäß § 312d Abs. 3 BGB aF erloschen. Das Erlöschen des Widerrufsrechts nach dieser Bestimmung setze voraus, dass bei einer Dienstleistung der Vertrag von beiden Seiten auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers vollständig erfüllt worden ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausgeübt hat. Diese Voraussetzungen haben in beiden Fällen nicht vorgelegen, weil die jeweiligen Beklagten die Provision vor der Ausübung des Widerrufsrechts nicht bezahlt hatten.

Kein Anspruch auf Wertersatz des Maklers

Den Maklern stehe in beiden Fällen wegen der erbachten Maklerleistungen kein Anspruch auf Wertersatz zu. Nach § 312e Abs. 2 BGB aF habe der Verbraucher bei Fernabsatzverträgen über Dienstleistungen Wertersatz für die erbrachte Dienstleistung nach den Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt nur zu leisten, wenn er vor Abgabe seiner Vertragserklärung auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist und wenn er ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung beginnt. In beiden Fällen hatte es an einer entsprechenden Belehrung der Maklerkunden gefehlt.

(tg) - Quelle: PM Nr. 114/2016 des BGH vom 07.07.2016

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 08.07.2016
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2779
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