Kurz notiert
Bundesgerichtshof
Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts durch Wiedergabe von Äußerungen im Rahmen einer Pressekonferenz?
BGH, Urteil vom 21.06.2011 - VI ZR 262/09; Vorinstanzen: LG Köln - Urteil vom 14.01.2009 - 28 O 511/08; OLG Köln - Urteil vom 28.07.2009 - 15 U 37/09
MIR 2011, Dok. 062, Rz. 1
1
Der grundrechtlichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gilt nicht nur für Fehlzitate, sondern auch gegenüber unrichtigen, verfälschten und entstellten Wiedergaben einer Äußerung. Dies geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21.06.2011 (VI ZR 262/09) hervor. Im betreffenden Fall hatte der Bundesgerichtshof über die Deutungsmöglichkeiten einer Berichterstattung über einer Äußerung der ehemaligen Tagesschau-Sprecherin Eva Herman im Rahmen einer Pressekonferenz zu ihrem Buch "Das Prinzip Arche Noah - warum wir die Familie retten müssen" zu befinden.
Zur Sache
Die Klägerin - Eva Herman - äußerte sich auf der Pressekonferenz wie folgt:
"Wir müssen den Familien Entlastung und nicht Belastung zumuten und müssen auch ´ne Gerechtigkeit schaffen zwischen kinderlosen und kinderreichen Familien. Wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der darauf folgenden 68er-Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68ern wurde damals praktisch alles das - alles was wir an Werten hatten - es war ´ne grausame Zeit, das war ein völlig durchgeknallter hochgefährlicher Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle - aber es ist eben auch das, was gut war - das sind die Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt - das wurde abgeschafft. Es durfte nichts mehr stehen bleiben."
In der Ausgabe des "Hamburger Abendblatts" vom 07.09.2007 und auf dessen Internetseiten erschien ein Artikel, der unter anderem folgende Ausführungen enthält:
"'Das Prinzip Arche Noah' sei wieder ein "Plädoyer für eine neue Familienkultur, die zurückstrahlen kann auf die Gesellschaft", heißt der Klappentext." Die Autorin, "die übrigens in vierter Ehe verheiratet ist, will auch schon festgestellt haben, dass die Frauen "im Begriff sind, aufzuwachen", dass sie Arbeit und Karriere nicht mehr unter dem Aspekt der Selbstverwirklichung betrachten, sondern unter dem der "Existenzsicherung". Und dafür haben sie ja den Mann, der "kraftvoll" zu ihnen steht. In diesem Zusammenhang machte die Autorin einen Schlenker zum Dritten Reich. Da sei vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler, aber einiges eben auch sehr gut. Zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter. Die hätten die 68er abgeschafft, und deshalb habe man nun den gesellschaftlichen Salat. Kurz danach war diese Buchvorstellung Gott sei Dank zu Ende."
Die Klägerin sah sich in dieser Berichterstattung der Beklagten falsch zitiert und schwerwiegend in ihrem Persönlichkeitsrecht betroffen. Sie nahm die Beklagte auf Unterlassung, Richtigstellung und auf Zahlung einer Geldentschädigung in Anspruch. In den Vorinstanzen im Wesentlichen mit Erfolg.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Keine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts
Der Bundesgerichtshof sah in der beanstandeten Berichterstattung keine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin.
Persönlichkeitsrecht gilt auch gegenüber verfälschten oder entstellten Wiedergaben einer Äußerung
Zwar umfasse das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das Recht am eigenen Wort und schütze den Einzelnen davor, dass ihm Äußerungen zugeschrieben werden, die er nicht getätigt hat und die seine Privatsphäre oder den von ihm selbst definierten sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigen. Der grundrechtliche Schutz wirke dabei nicht nur gegenüber Fehlzitaten, sondern auch gegenüber unrichtigen, verfälschten oder entstellten Wiedergaben einer Äußerung.
Hier aber keine unrichtige, verfälschte oder entstellende Wiedergabe der Äußerung Hermans
Hier sei die Äußerung der Klägerin aber weder unrichtig noch verfälscht oder entstellt wiedergegeben worden. Die Äußerung lasse im Gesamtzusammenhang betrachtet gemessen an Wortwahl, Kontext der Gedankenführung und Stoßrichtung nur die Deutung zu, die die Beklagte ihr in ihrer Berichterstattung auch beigemessen hat.
Die vollständigen Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor.
(tg) - Quelle: PM Nr. 107/2011 des BGH vom 21.06.2011
Zur Sache
Die Klägerin - Eva Herman - äußerte sich auf der Pressekonferenz wie folgt:
"Wir müssen den Familien Entlastung und nicht Belastung zumuten und müssen auch ´ne Gerechtigkeit schaffen zwischen kinderlosen und kinderreichen Familien. Wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der darauf folgenden 68er-Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68ern wurde damals praktisch alles das - alles was wir an Werten hatten - es war ´ne grausame Zeit, das war ein völlig durchgeknallter hochgefährlicher Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle - aber es ist eben auch das, was gut war - das sind die Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt - das wurde abgeschafft. Es durfte nichts mehr stehen bleiben."
In der Ausgabe des "Hamburger Abendblatts" vom 07.09.2007 und auf dessen Internetseiten erschien ein Artikel, der unter anderem folgende Ausführungen enthält:
"'Das Prinzip Arche Noah' sei wieder ein "Plädoyer für eine neue Familienkultur, die zurückstrahlen kann auf die Gesellschaft", heißt der Klappentext." Die Autorin, "die übrigens in vierter Ehe verheiratet ist, will auch schon festgestellt haben, dass die Frauen "im Begriff sind, aufzuwachen", dass sie Arbeit und Karriere nicht mehr unter dem Aspekt der Selbstverwirklichung betrachten, sondern unter dem der "Existenzsicherung". Und dafür haben sie ja den Mann, der "kraftvoll" zu ihnen steht. In diesem Zusammenhang machte die Autorin einen Schlenker zum Dritten Reich. Da sei vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler, aber einiges eben auch sehr gut. Zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter. Die hätten die 68er abgeschafft, und deshalb habe man nun den gesellschaftlichen Salat. Kurz danach war diese Buchvorstellung Gott sei Dank zu Ende."
Die Klägerin sah sich in dieser Berichterstattung der Beklagten falsch zitiert und schwerwiegend in ihrem Persönlichkeitsrecht betroffen. Sie nahm die Beklagte auf Unterlassung, Richtigstellung und auf Zahlung einer Geldentschädigung in Anspruch. In den Vorinstanzen im Wesentlichen mit Erfolg.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Keine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts
Der Bundesgerichtshof sah in der beanstandeten Berichterstattung keine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin.
Persönlichkeitsrecht gilt auch gegenüber verfälschten oder entstellten Wiedergaben einer Äußerung
Zwar umfasse das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das Recht am eigenen Wort und schütze den Einzelnen davor, dass ihm Äußerungen zugeschrieben werden, die er nicht getätigt hat und die seine Privatsphäre oder den von ihm selbst definierten sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigen. Der grundrechtliche Schutz wirke dabei nicht nur gegenüber Fehlzitaten, sondern auch gegenüber unrichtigen, verfälschten oder entstellten Wiedergaben einer Äußerung.
Hier aber keine unrichtige, verfälschte oder entstellende Wiedergabe der Äußerung Hermans
Hier sei die Äußerung der Klägerin aber weder unrichtig noch verfälscht oder entstellt wiedergegeben worden. Die Äußerung lasse im Gesamtzusammenhang betrachtet gemessen an Wortwahl, Kontext der Gedankenführung und Stoßrichtung nur die Deutung zu, die die Beklagte ihr in ihrer Berichterstattung auch beigemessen hat.
Die vollständigen Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor.
(tg) - Quelle: PM Nr. 107/2011 des BGH vom 21.06.2011
Online seit: 24.06.2011
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2340
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