Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 14.10.2010 - I ZR 212/08
Mega-Kasten-Gewinnspiel - Anwaltshaftung wegen fehlerhafter marken- und wettbewerbsrechtlicher Beratung und Mitverschulden des Mandanten.
BGB §§ 254 Abs. 1, 278
LeitsĂ€tze:*1. Verlangt ein Mandant, der aufgrund einer Abmahnung Kenntnis von der UnvollstĂ€ndigkeit der Markenrecherche hat, die sein Rechtsanwalt fĂŒr ihn durchgefĂŒhrt hat, von diesem Anwalt Schadensersatz, muss er sich unter UmstĂ€nden ein Verschulden des von ihm zur Abwehr der Abmahnung eingeschalteten Zweitanwalts anrechnen lassen.
2. Der Einwand des Mitverschuldens greift zwar nicht, wenn die VerhĂŒtung des entstandenen Schadens nach dem Vertragsinhalt allein dem in Anspruch genommenen Berater (hier: Rechtsanwalt) oblag (vgl. BGH, Urteil vom 24.05.2005 - IX ZR 276/03). Bei einem Beratungsfehler des (Erst-) Anwalts gilt dies grundsĂ€tzlich auch in FĂ€llen, in denen ein (danach beauftragter) Zweitanwalt pflichtwidrig einen eigenen Schadensbeitrag gesetzt hat. Die Anrechnung eines Mitverschuldens des Mandanten setzt voraus dass dieser sich des Zweitanwalts bedient hat, um eine im eigenen Interesse gebotene Obliegenheit zur Abwehr oder Minderung des Schadens zu erfĂŒllen, er durch den in Anspruch genommenen Erstanwalt herbeigefĂŒhrt wurde (BGH, Urteil vom 20.01.1994 - IX ZR 46/93; BGH, Urteil vom 07.04.2005 - IX ZR 132/01). Eine solche Obliegenheit des Mandanten besteht dann, wenn er um die GefĂ€hrdung seiner rechtlichen Interessen weiĂ (hier: durch eine markenrechtliche Abmahnung). BemĂŒht er sich dann mit (erneuter) anwaltlicher Hilfe darum, Nachteile abzuwenden oder zu verringern, so wird der Zweitanwalt zugleich zur ErfĂŒllung der Obliegenheiten des Mandanten zur Schadensabwehr im Hinblick auf die Pflichtverletzung des Erstanwalts tĂ€tig (BGH, Urteil vom 15.07, 1994 - IX ZR 204/93).
3. Bei der Anwaltshaftung ist fĂŒr die haftungsbegrĂŒndende KausalitĂ€t lediglich erforderlich, dass der PflichtverstoĂ nachteilige Folgen auslösen kann (BGH, Urteil vom 23.10.2003 - IX ZR 249/02).
4. Der Rechtsanwalt hat seine Beratung darauf zu erstrecken, dem Auftraggeber die Zweifel und Bedenken, zu denen die Sach- und Rechtslage Anlass gibt, sowie mögliche Risiken und deren abschĂ€tzbares AusmaĂ darzulegen und sie mit ihm zu erörtern. Verharmlosenden Vorstellungen des Mandanten hat der Anwalt entgegenzuwirken (vgl. BGH, Urteil vom 29.06.2006 - IX ZR 76/04; BGH, Urteil vom 07.02.2008 - IX ZR 149/04; BGH, Urteil vom 03.07.2008 - III ZR 189/07). Hierbei suggeriert dem Mandanten schon die Angabe, eine hunderprozentige Sicherheit, dass eine bestimmte Handlung wettbewerbsrechtlich zulĂ€ssig ist, sei nicht gegeben, dass nur ein geringes Restrisiko der UnzulĂ€ssigkeit besteht. Dies gilt umso mehr, wenn eine solche Angabe noch durch die - unzutreffende - Behauptung bestĂ€rkt wird, die letzte Gerichtsentscheidung zu dem betreffenden Sachverhalt (hier: Kopplung von Gewinnspiel und Warenabsatz) liege bereits Jahrzehnte zurĂŒck (hier: 30 Jahre).
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 15.04.2011
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2317
*Redaktionell. Amtliche Leit- und OrientierungssÀtze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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