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Rechtsprechung



BGH

Urteil vom 6. Dezember 2005 - Az. VI ZR 265/04 (postmortales Persönlichkeitsrecht, Geldentschädigung für Angehörige, immaterieller Schaden, Filmberichterstattung, § 823 BGB, Art. 1, 2 Abs. 2, Art. 5 GG)

Leitsätze (amtl.):

BGB § 823 Ah; GG Art. 1, Art. 5

Eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes führt grundsätzlich nicht zu einem Anspruch auf Geldentschädigung.

BGB § 823 Ah; GG Art. 2 Abs. 2, Art. 5

Zu den Voraussetzungen, unter denen die Darstellung des Leichnams eines nahen Angehörigen in einer TV-Filmberichterstattung Hinterbliebene in ihrem eigenen Persönlichkeitsrecht verletzen kann.

ergänzende Leitsätze (tg):

1. Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann jedenfalls bei einer lebenden Person einen Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden in Geld begründen, welcher auf dem Schutzauftrag aus Art. 1 und Art.2 Abs.1 GG und demgemäß aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 und Art 2 GG hergeleitet wird.

2. Der Anspruch auf immateriellen Schadensersatz wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts steht nur dem Rechtsträger und diesem nur zu dessen Lebzeiten zu. Dies unterscheidet ihn einerseits von einem Abwehranspruch, den postmortal der Wahrnehmungsberechtigte geltend machen kann, und andererseits von dem materiellen Schadensersatzanspruch wegen einer Verletzung vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts, der auf den Erben übergehen kann.

3. Die Zuerkennung einer Geldentschädigung gegenüber einem Angehörigen bei Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes ist mit der Funktion des Anspruchs auf immaterielle Entschädigung unvereinbar, da dem Verstorbenen selbst keine Genugtuung mehr für die Verletzung seiner Persönlichkeit verschafft werden kann. Der Gesichtspunkt der Genugtuung für das Opfer steht aber regelmäßig im Vordergrund eines solchen Anspruchs.

4. Der Gedanke der Prävention allein, vermag die Gewährung einer Geldentschädigung nach dem Tod einer Person nicht zu tragen (hier: im Bereich der TV-Berichterstattung).

5. Die Zubilligung einer Geldentschädigung an Erben oder nahestehende Personen für postmortale Verletzungen der Würde einer anderen Person ist systemwidrig und zudem geeignet, einer Kommerzialisierung des Persönlichkeitsrechts im nicht kommerziellen Bereich Vorschub leisten.

6. Eine Verletzung des postmortalen Schutzbereichs Verstorbener verletzt für sich genommen noch nicht die Würde der Angehörigen, so dass allein die Abbildung der getöteten Person (hier der Mutter des Klägers) in für Dritte identifizierbarer Weise nicht in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingreift. Eine derartige unmittelbare Betroffenheit kommt nur in Betracht, wenn die Persönlichkeitssphäre des Dritten selbst als zum Thema des Berichts zugehörig erscheint und damit das Erfordernis der Unmittelbarkeit noch gewahrt bleibt. Nicht genügen kann, wenn der Dritte sich wegen seiner engen Beziehung zum Dargestellten durch eine Berichterstattung, die ihn selbst weder ausdrücklich noch stillschweigend erwähnt, "persönlich" betroffen fühlt.

7. Ausstrahlungen auf die Person des Dritten, in denen sich gar nicht der Inhalt der Veröffentlichung, sondern nur noch die persönliche Verbundenheit zu der in die Öffentlichkeit gerückten Person (des Opfers, des Getöteten) ausdrückt, bleiben als bloße Reflexwirkungen schutzlos.

MIR 2006, Dok. 014


Hinweis der Redaktion: vgl. dazu auch MIR Dok. 11/2005, Rz.1

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 28.01.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/229

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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