Kurz notiert
Bundesgerichtshof
UsedSoft - Fragen zur ZulÀssigkeit des Vertriebs "gebrauchter" Softwarelizenzen EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.
BGH, Beschluss vom 03.02.2011 - I ZR 129/08 - UsedSoft; Vorinstanzen: OLG MĂŒnchen - Urteil vom 03.07.2008 â 6 U 2759/07, LG MĂŒnchen I - Urteil vom 15.03.2007 â 7 O 7061/06, MIR 2007, Dok. 129
MIR 2011, Dok. 010, Rz. 1
1
Der Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der EuropÀischen Union mit Beschluss vom 03.02.2011 (I ZR 129/08) Fragen zur urheberrechtlichen ZulÀssigkeit des Vertriebs "gebrauchter" Softwarelizenzen zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Zur Sache
Die KlĂ€gerin entwickelt Computersoftware, die sie ganz ĂŒberwiegend als Downloadversion vertreibt. In den LizenzvertrĂ€gen wird dem Kunden ein nicht abtretbares Nutzungsrecht an der Software eingerĂ€umt.
Die Beklagte handelt mit "gebrauchten" Softwarelizenzen. Im Oktober 2005 bot sie "bereits benutzte" Lizenzen fĂŒr Programme der KlĂ€gerin an. Dabei verwies sie auf ein Notartestat, in dem auf eine BestĂ€tigung des ursprĂŒnglichen Lizenznehmers verwiesen wird, wonach er rechtmĂ€Ăiger Inhaber der Lizenzen gewesen sei, diese nicht mehr benutze und den Kaufpreis vollstĂ€ndig bezahlt habe. Nach dem Erwerb einer "gebrauchten" Lizenz laden die Kunden der Beklagten die entsprechende Software von der Internetseite der KlĂ€gerin auf einen DatentrĂ€ger herunter.
Die KlÀgerin ist der Auffassung, die Beklagte verletze dadurch, dass sie die Erwerber "gebrauchter" Lizenzen dazu veranlasse, die entsprechenden Computerprogramme zu vervielfÀltigen, das Urheberrecht an diesen Programmen. Sie hat die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch genommen. Landgericht und Berufungsgericht haben der Klage stattgegeben.
BGH: Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung
Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der EuropĂ€ischen Union (EuGH) einige Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2009/24/EG ĂŒber den Rechtsschutz von Computerprogrammen zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Eingriff in das Recht zur VervielfÀltigung
Nach Auffassung des BGH greifen die Kunden der Beklagten durch das Herunterladen der Computerprogramme in das nach § 69c Nr. 1 UrhG ausschlieĂlich dem Rechtsinhaber zustehende Recht zur VervielfĂ€ltigung der Computerprogramme ein. Da die Beklagte ihre Kunden durch das Angebot "gebrauchter" Lizenzen zu diesem Eingriff veranlasst, könne sie auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, falls ihre Kunden nicht zur VervielfĂ€ltigung der Programme berechtigt sind.
Notwendige VervielfÀltigung? Erschöpfung?
Die Kunden der Beklagten können sich allerdings möglicherweise auf die Regelung des § 69d Abs. 1 UrhG berufen, die Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG ins deutsche Recht umsetzt und daher richtlinienkonform auszulegen ist, so der BGH. Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG bedarf die VervielfĂ€ltigung eines Computerprogramms - solange nichts anderes vereinbart ist - nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers, wenn sie fĂŒr eine bestimmungsgemĂ€Ăe Benutzung des Computerprogramms durch den rechtmĂ€Ăigen Erwerber notwendig ist. Es stellt sich daher die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen derjenige, der eine "gebrauchte" Softwarelizenz erworben hat, als "rechtmĂ€Ăiger Erwerber" des entsprechenden Computerprogramms anzusehen ist. In diesem Zusammenhang kann sich auch die Frage stellen, ob sich das Verbreitungsrecht des Rechtsinhabers erschöpft, wenn ein Computerprogramm mit seiner Zustimmung im Wege der Online-Ăbermittlung in Verkehr gebracht worden ist.
(tg) - Quelle: PM Nr. 021/2011 des BGH vom 03.02.2011
Zur Sache
Die KlĂ€gerin entwickelt Computersoftware, die sie ganz ĂŒberwiegend als Downloadversion vertreibt. In den LizenzvertrĂ€gen wird dem Kunden ein nicht abtretbares Nutzungsrecht an der Software eingerĂ€umt.
Die Beklagte handelt mit "gebrauchten" Softwarelizenzen. Im Oktober 2005 bot sie "bereits benutzte" Lizenzen fĂŒr Programme der KlĂ€gerin an. Dabei verwies sie auf ein Notartestat, in dem auf eine BestĂ€tigung des ursprĂŒnglichen Lizenznehmers verwiesen wird, wonach er rechtmĂ€Ăiger Inhaber der Lizenzen gewesen sei, diese nicht mehr benutze und den Kaufpreis vollstĂ€ndig bezahlt habe. Nach dem Erwerb einer "gebrauchten" Lizenz laden die Kunden der Beklagten die entsprechende Software von der Internetseite der KlĂ€gerin auf einen DatentrĂ€ger herunter.
Die KlÀgerin ist der Auffassung, die Beklagte verletze dadurch, dass sie die Erwerber "gebrauchter" Lizenzen dazu veranlasse, die entsprechenden Computerprogramme zu vervielfÀltigen, das Urheberrecht an diesen Programmen. Sie hat die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch genommen. Landgericht und Berufungsgericht haben der Klage stattgegeben.
BGH: Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung
Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der EuropĂ€ischen Union (EuGH) einige Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2009/24/EG ĂŒber den Rechtsschutz von Computerprogrammen zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Eingriff in das Recht zur VervielfÀltigung
Nach Auffassung des BGH greifen die Kunden der Beklagten durch das Herunterladen der Computerprogramme in das nach § 69c Nr. 1 UrhG ausschlieĂlich dem Rechtsinhaber zustehende Recht zur VervielfĂ€ltigung der Computerprogramme ein. Da die Beklagte ihre Kunden durch das Angebot "gebrauchter" Lizenzen zu diesem Eingriff veranlasst, könne sie auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, falls ihre Kunden nicht zur VervielfĂ€ltigung der Programme berechtigt sind.
Notwendige VervielfÀltigung? Erschöpfung?
Die Kunden der Beklagten können sich allerdings möglicherweise auf die Regelung des § 69d Abs. 1 UrhG berufen, die Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG ins deutsche Recht umsetzt und daher richtlinienkonform auszulegen ist, so der BGH. Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG bedarf die VervielfĂ€ltigung eines Computerprogramms - solange nichts anderes vereinbart ist - nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers, wenn sie fĂŒr eine bestimmungsgemĂ€Ăe Benutzung des Computerprogramms durch den rechtmĂ€Ăigen Erwerber notwendig ist. Es stellt sich daher die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen derjenige, der eine "gebrauchte" Softwarelizenz erworben hat, als "rechtmĂ€Ăiger Erwerber" des entsprechenden Computerprogramms anzusehen ist. In diesem Zusammenhang kann sich auch die Frage stellen, ob sich das Verbreitungsrecht des Rechtsinhabers erschöpft, wenn ein Computerprogramm mit seiner Zustimmung im Wege der Online-Ăbermittlung in Verkehr gebracht worden ist.
(tg) - Quelle: PM Nr. 021/2011 des BGH vom 03.02.2011
Online seit: 03.02.2011
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