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BGH, Urteil vom 01.10.2009 - I ZR 134/07
Gib mal Zeitung - Zur unlauteren Herabsetzung im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG durch eine humorvolle oder ironische Anspielung auf einen Mitbewerber oder dessen Produkte in einem Werbevergleich. taz ./. BILD
UWG § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Nr. 4, Nr. 5; Richtlinie 84/450/EWG Art. 2 Nr. 1 und Nr. 2a; Richtlinie 2006/114/EG Art. 2 lit. a und lit. c
Leitsätze:*1.Werbung im Sinne von § 6 Abs. 1 UWG ist jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufes mit dem Ziel den Absatz von Waren
oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zu fördern (Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 84/450/EWG; Art.
2 lit. a der Richtlinie 2006/114/EG).
Vergleichend im Sinne von § 6 Abs. 1 UWG ist eine Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder
Dienstleistungen erkennbar macht (Art. 2 Nr. 2a der Richtlinie 84/450/EWG; Art. 2 lit. c der Richtlinie 2006/114/EG).
2. Der Begriff der vergleichenden Werbung ist in einem weiten Sinn zu verstehen. Vergleichende Werbung liegt schon vor, wenn eine Äußerung - auch nur mittelbar - auf einen
Mitbewerber oder von diesem angebotene Waren oder Dienstleistungen Bezug nimmt (st. Rspr.; vgl. EuGH, Urteil vom 18.06.2009 - C-487/07 - L´Oreal/Bellure, m.w.N.;
BGHZ 158, 26, 32 - Genealogie der Düfte; BGH, Beschluss vom 02.12.2004 - I ZR 273/01 - Bestellnummerübernahme; BGH, Urteil vom 06.12.2007 - Az. I ZR 169/04 - Imitationswerbung).
3. Ein Vergleich im Sinne von § 6 UWG liegt vor, wenn ein für den Verkehr erkennbarer Bezug zwischen (mindestens) zwei Wettbewerbern, zwischen deren Waren oder
Dienstleistungen bzw. ihren Tätigkeiten oder sonstigen Verhältnisses durch den Werbenden hergestellt wird.
4. Für die Frage, ob eine Herabsetzung im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG anzunehmen ist, ist maßgeblich, ob sich die angegriffene Werbeaussage noch in den Grenzen einer
sachlichen Erörterung hält oder bereits eine pauschale Abwertung der fremden Erzeugnisse darstellt. Eine Herabsetzung im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG erfordert mehr als
die einem Werbevergleich immanente Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile der verglichenen Produkte. Herabsetzend im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG ist ein Vergleich daher
erst dann, wenn zu den mit jedem Werbevergleich verbundenen (negativen) Wirkungen für die Konkurrenz besondere Umständ hinzutreten, die den Vergleich als unangemessen abfällig,
abwertend oder unsachlich erscheinen lassen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass Werbung zu einem nicht unerheblichen Teil von Humor und Ironie lebt und begleitet wird.
Die Grenzziehung zwischen leiser Ironie und nicht hinnehmbarer Herabsetzung ist stets im Einzelfall unter Berücksichtigung der mutmaßlichen
Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers festzustellen. Ein humorvoller und ironischer Werbevergleich kann hierbei auch noch dann zulässig sein, wenn er sich nicht auf feinen Humor und leise Ironie beschränkt.
5. Eine humorvolle oder ironische Anspielung auf einen Mitbewerber oder dessen Produkte in einem Werbevergleich, die weder den Mitbewerber dem Spott oder der
Lächerlichkeit preisgibt noch von den Adressaten der Werbung wörtlich und damit ernst genommen und daher nicht als Abwertung verstanden wird, stellt keine
unlautere Herabsetzung im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG dar.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 20.12.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2096
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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